Ryszard Legutko: Totalitäre Tendenzen in Europa

„Der Philosoph Ryszard Legutko lehrt an der Jagiellonen-Universität in Krakau. In einem kürzlich veröffentlichten Gespräch warnte er vor totalitären Tendenzen in Europa. Die europäische Zivilisation befinde sich in Folge des Wirkens radikaler utopischer Ideologien und der Schwäche konservativer Kräfte „in einer tiefen moralischen und spirituellen Krise“. Die erwähnten Ideologien hätten „stets zwei Hauptfeinde“ bekämpft, „die Familie und die Religion“, weil diese „Quellen der Kontinuität“ darstellten, die revolutionären Umgestaltungsplänen im Weg stünden.

Gegenwärtig entfalte sich „ein Projekt zur Umstrukturierung der Gesellschaft, um eine neue europäische Nation zu schaffen, eine neue mehr oder weniger homogene Identität, tatsächlich einen neuen Typus Mensch“. So wie die Französische Revolution und der totalitäre Kommunismus kämpfe auch der Linksliberalismus der Gegenwart bei seinem Versuch zur Schaffung eines „neuen Menschen“ gegen diese Institutionen und gehe dabei immer aggressiver vor.
Europa habe „eine außergewöhnliche Kultur, aber es hat sich von ihr abgeschnitten“. Europäische Kultur bestehe nicht aus 50 neu erfundenen Geschlechtern, sondern aus „Platon, Michelangelo, Beethoven“. Wenn es den Europäern nicht gelinge, sich wieder mit ihrer kulturellen Tradition zu verbinden, sei Europa  „in großer Gefahr“.
Legutko nennt zwei Aktionsfelder als Beispiele für diesen Kulturkampf:

Es habe sich ein „Neusprech, der die Sprache zerstört“ herausgebildet, der „eine Metarealität hauptsächlich ideologischer Natur schafft, welche die reale Welt verdeckt“. Das, was George Orwell als „Gedankenverbrechen“ und der Kommunismus als „reaktionäres Denken“ bezeichnet habe, werde im postmodernen Neusprech als „Sexismus“, „Rassismus“ und „Homophobie“ benannt.
Unter dem Vorwand, „Vielfalt“ schützen zu wollen, finde gegenwärtig eine „eine massive Zerstörung der bestehenden Strukturen“ in Europa statt. Ein Beispiel dafür sei die gegenwärtig angegriffene Unterscheidung zwischen männlich und weiblich, die seit Jahrtausenden Bestandteil jeder menschlichen Kultur sei. Zudem verberge sich hinter dem Vielfaltsbegriff, der die gewachsene Kultur zerstören wolle, tatsächlich ein Streben nach „Uniformität“. Man wolle die Kultur im Sinne der Ideologie umgestalten und dabei „Andersdenkende zum Schweigen bringen“.
Ein Wandel zum Positiven sei derzeit nicht in Sicht. Ein „Pluralismus der Parteien und Ideen“ sei in Westeuropa derzeit kaum noch feststellbar. Die konservativen Kräfte in Westeuropa hätten weitgehend „kapituliert“ und seien heute Teil eines Block von Parteien, die sich weltanschaulich kaum noch voneinander unterschieden und von linksgerichteten Ideologien geprägt sein. Die Abkehr der Gesetzgebung vom traditionellen Verständnis von Ehe und Familie sei in Deutschland etwa unter maßgeblicher Mitwirkung von Christdemokraten vorangetrieben worden, die sich von den traditionellen Prinzipien des Konservatismus abgewandt hätten.“ (…)

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