Feministische Dichotomie – Männer versus Frauen

Warum die Gleichstellungspolitik keine linke, sondern eine rechte Politik ist!
Interview mit Professor Günter Buchholz
„Die Gleichstellungspolitik der dritten Frauenbewegung zielt darauf ab, die längst erreichte Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen durch eine Privilegierung von Frauen mittels einer Diskriminierung von Männern auszuhebeln. Eine Politik der Privilegierung und der Diskriminierung ist objektiv eine rechte Politik, die im Gegensatz zu einer linken Politik steht.
Und Quotenpolitik ist eine Form der Gleichstellungspolitik, die lobbyistische Interessen verfolgt, denn sie dient der Privilegierung einer relativ kleinen Teilmenge der Frauen.
Der 1995 erfolgte Umschlag von einer emanzipatorischen in eine privilegierende Frauenpolitik, also von der zweiten in die dritte Frauenbewegung, ist auf der ideologischen Ebene zwar auch von erheblichen Veränderungen gekennzeichnet, aber die tradierten feministischen Vorstellungen, Sichtweisen und Meinungen werden weiter verwendet und legitimieren jetzt mit emanzipatorischer Rhetorik eine anti-emanzipatorische, privilegierende und diskriminierende Politik. Die subjektive Wahrnehmung und Ausdrucksweise des heutigen Feminismus widerspricht also dem objektiven Charakter der Gleichstellungspolitik.“-
„Alexander Ulfig: Könnten Sie uns erläutern, inwiefern die soziale Schicht als eine Kategorie der Diskriminierung heute immer noch fundamentaler ist als das Geschlecht?
Günter Buchholz: Die Lebenslagen von Männern und Frauen derselben sozialen Klasse oder Schicht sind zwar nicht identisch, aber sie sind sich jeweils recht ähnlich. Allerdings können auch in diesen Unterschieden beträchtliche Probleme stecken, die nicht zu vernachlässigen sind. Hierauf mit großem Nachdruck aufmerksam gemacht zu haben, das ist sicherlich ein Verdienst des Feminismus.
Es unterscheiden sich jedoch demgegenüber die Lebenslagen zwischen sozialen Klassen und Schichten in sehr hohem Maße. Es gibt zwischen der Kassiererin im Supermarkt und Erbinnen wie Friede Springer oder Liz Mohn oder einer Politikerin wie Ursula von der Leyen keine sozialen Gemeinsamkeiten, und dasselbe gilt von dem LKW-Fahrer und einem Manager wie Herrn Ackermann, dem bisherigen Chef der Deutschen Bank. Denn der LKW-Fahrer ist, wenn überhaupt, dann mit der Kassiererin verheiratet und nicht mit einer reichen Erbin oder einer erfolgreichen Investmentbankerin, die aber ihrerseits mit Herrn Ackermann verheiratet sein mag.
Diese vertikalen sozialen Unterschiede, die durch die Stratifikation der Gesellschaft verursacht sind, sind offensichtlich und gewaltig: Sie bestimmen nach wie vor die gesamte Lebenslage der Familien in allen ihren Aspekten. Beispielsweise hatten und haben Kinder aus unteren sozialen (bildungsfernen) Schichten in Deutschland deutlich schlechtere Bildungschancen als Kinder aus höheren (bildungsnahen) Schichten. Unser von interessierter Seite eifrig verteidigtes anachronistisches dreigliedriges Schulsystem ist geradezu der Garant dafür, dass es bei dieser sozialen Schließung und Selektivität bleibt. Es erfordert tatsächlich außerordentliche individuelle Anstrengungen, um die Aufstiegssperren im Bildungssystem zu überwinden. Ich weiß hier aus eigener Erfahrung, wovon ich spreche.
Der Feminismus behauptet demgegenüber, „die Frauen“ könnten und müssten sowohl analytisch wie politisch-praktisch „den Männern“ konfrontativ gegenübergestellt werden. Ich nenne das die feministische Dichotomie. Sie ist die konstitutive ideologische Prämisse des Feminismus im allgemeinen und der Gender Studies im besonderen. Sie ist allerdings falsch.
Alexander Ulfig: Haben die Linken die soziale Schicht als die zentrale Kategorie der Diskriminierung aufgegeben und an ihre Stelle das Geschlecht gesetzt und wenn ja, warum?
Günter Buchholz: Das ist für mich eine sehr schwer zu beantwortende Frage, und meine Antwort hat mehr den Charakter von Vermutungen. Selbst in der Soziologie ist meines Wissens die klassen- und schichtanalytische Sichtweise in den Hintergrund getreten. An ihre Stelle sind begrifflich weithin Milieus getreten. Darin mag ein Vorteil im Hinblick auf die Sortierung und Interpretation des empirischen Panel-Materials liegen. Aber es gibt gute theoretische und m. E. auch empirische Gründe, die dafür sprechen, auf eine klassen- und schichtspezifische Sichtweise nicht zu verzichten.
Innerhalb der zweiten Frauenbewegung wurde die feministische Dichotomie, also die Konfrontation aller Frauen mit allen Männern, zunächst ergänzend in die Analyse der stratifizierten Gesellschaften eingeführt. Es scheint so, und das ist erstaunlich genug, als hätte sie letztere allmählich verdrängt. Dass es heute als ungewöhnlich erscheint, die Gesellschaft primär als eine stratifizierte wahrzunehmen und zu begreifen, ist angesichts der realen Verhältnisse, wie sie in der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise aufscheinen, schlicht absurd.
Über „die Linken“ lässt sich so wenig sagen wie über „die Rechten“ oder „die Frauen“ oder „die Männer“. Die Parteien, die bei uns dem Spektrum Mitte-Links zugeordnet werden, haben sich jedenfalls dem politischen Druck des überparteilich organisierten Feminismus aus Gründen der Fehleinschätzung oder des politischen Opportunismus gefügt und Frauen innerhalb der Parteien privilegiert. Das gilt im übrigen auch für die größte Partei des Mitte-Rechts-Spektrums, die CDU und sogar die CSU. Die Gewerkschaften haben offenbar innerparteilich keine entsprechende Gegenposition bezogen, sondern haben sich ihrerseits stark dem Feminismus geöffnet.
Das gesellschaftstheoretische Denken ist in den Parteien der Linken offenbar teilweise gar nicht mehr präsent, und auf diesem leeren Feld konnte sich der politische Opportunismus, für den theoretische Reflexionen nur lästig sind, unbegrenzt ausbreiten.
Ich vermute somit, dass einerseits im Verlauf der Hegemonie des Neoliberalismus das gesellschaftstheoretische Denken in den Organisationen der Linken geschrumpft oder ganz verschwunden ist, und dass dieses Feld vom feministischen Diskurs, der ein ausgesprochen machtpolitischer ist, besetzt worden ist. Es ist daher heute hoch riskant zu widersprechen. Und den Rest besorgt zuverlässig der übliche Konformismus.“
Zum Interview:
http://cuncti.net/streitbar/83-feministische-dichotomie-maenner-versus-frauen#
 

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