Islam, Islamismus, muslimische Gegengesellschaft

Günter Buchholz    –    23. 09. 2017

Kurzrezension des Buches von Hartmut Krauss:

Islam, Islamismus, muslimische Gegengesellschaft

Hintergrund Verlag Osnabrück, 3. korr. Aufl., 2012

ISBN 978-3-00-024512-1

Die öffentliche Kommunikation der heutigen Bundesrepublik Deutschland, die häufig zwischen Information und Desinformation hin und her schwankt, leidet darunter, daß wesentliche Fragen im Hinblick auf die zentralen Probleme nicht gestellt werden. Dieser Umstand zwingt dazu, auf Fachliteratur zurückzugreifen.

Eine dieser Fragen im Hinblick auf die Immigration ist die Frage danach, was der Islam ist, eine andere, wie der Islam aus welchen Gründen zu beurteilen ist. Da die allerwenigstens Leser Orientalistik studiert haben, ist es wichtig, daß Hartmut Krauss hier ein Buch in drei Teilen mit insgesamt 15 Kapiteln im Umfang von knapp 450 Seiten vorgelegt hat, das für interessierte Laien gut nachvollziehbar, verständlich und zugleich reflektiert diese Fragen stellt, entwickelt und beantwortet.

Im Teil 1 thematisiert der Autor den Islam und seine frühe Geschichte (bis S. 128), insbesondere die Frage, durch wen und wie der Islam entstanden ist, und welcher Charakter ihm zukommt. Es geht also um die Geschichte des Islams und seine Konstitutionsbedingungen im 7. Jahrhundert n. Chr. auf der arabischen Halbinsel, um die Person des Propheten des Islams, um dessen Leben und Wirken zunächst in Mekka, dann in Medina, um seine dortige Politik und um die Entstehung des Korans. Das alles wird nicht nur im historischen Ablauf knapp dargestellt, sondern es wird auch soziologisch und religionswissenschaftlich eingeordnet und charakterisiert.

Im Teil 2 (S. 129 – 244) geht es um den Islamismus, aber dieser Begriff bedeutet hier nicht wie in unseren heutigen Zeitungstexten, daß es einen „bösen“ Islamismus gäbe, der vom „guten“ Islam zu unterscheiden und abzutrennen wäre, ganz im Gegenteil, sondern er meint hier eine neuzeitliche gesellschaftliche Form regressiver islamischer Widerspruchsverarbeitung; diese wurde durch die Unterlegenheit des Islams in Konfrontation mit der okzidentalen Moderne der Neuzeit konstituiert, die sich erstmals im Feldzug Napoleons in Ägypten zeigte.

Weil diese Welt des islamischen Irrationalismus für uns alle, die wir geprägt sind durch den okzidentalen Rationalismus, die Säkularisierung und die kulturelle Moderne, gleichsam jenseits unseres Horizonts liegt, ist dieser Teil besonders erhellend, weil aus der Binnenperspektive des Islams ein Verständnis dessen vermittelt wird, was sich innerhalb der islamischen Welt vollzogen hat und noch vollzieht. Man muß das wissen, um vor Fehlurteilen geschützt zu sein.

Teil 3 ( S. 245 – 441) widmet sich dem Thema der muslimischen Gegengesellschaft. Ist – unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus Teil 1 und 2 – eine Integration des Islams (bzw. korantreuer Muslime) in Gesellschaften der okzidental-rationalen kulturellen Moderne überhaupt möglich?

Die Frage erscheint nur dem als irritierend, der meint, unsere okzidental-rationale kulturelle Moderne auf immigrierte Muslime projizieren zu dürfen. Das ist der Fehler. Denn genau diese Projektion führt zur Integrationsillusion. Weshalb sie eine Illusion ist, das wird in diesem Teil 3 des Buches ausführlich herausgearbeitet. Der Islam kann nicht integriert werden, wie an der Scharia unmittelbar greifbar wird. Der Islam tendiert, koranisch bedingt, vielmehr zur Herausbildung von Gegengesellschaften, von denen ein Islamisierungsdruck auf die Mehrheitsgesellschaft ausgeht.

Das von Hartmut Krauss vorgelegte Buch ist ein vorzüglicher kritischer Einstieg in das für uns alle wichtig gewordenen Thema Islam. Es liegt allerdings noch als 3. korr. Aufl. 2012 vor. Auch wenn alle wichtigen Themen abgehandelt werden, verdiente es die unregulierte islamische Immigration ab dem Sommer 2015, als spezielles Thema in einem Kapitel 16 abgehandelt zu werden.

Ich habe dieses Buch mit sehr großem Erkenntnisgewinn gelesen und ich kann es allen dringend empfehlen, die auf allen Ebenen politische Verantwortung tragen, oder die in den Medien aktiv sind, oder die als sonstige Multiplikatoren wirken. Denn wer dieses Buch mit Verständnis gelesen hat, wird dadurch bezüglich des Islams urteilsfähig geworden sein, wird also zutreffend einschätzen können, was richtig und was falsch ist, was harmlos und was gefährlich ist. Darin läge die Chance, jetzige und für mich offensichtliche Fehlurteile und Fehlhandlungen zu korrigieren. –

 

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