In Sachen (Ver-) Leugnung

Eine Glosse

9. August 2020

Michael Mansion

 
Die Geschichte der Leugnungen und Verleugnungen ist mit Sicherheit so alt wie die Menschheit, zumindest von der Zeit an, wo diese sich sprachfähig auseinandersetzen konnte.
Es gibt von ihr allerdings keine Geschichte oder, um es ein bisschen wissenschaftlicher auszudrücken, keine empirisch stringente Historie.
Deshalb geht es den Leugnungen und Verleugnungen ein bisschen so, wie alten Sprachen, die nicht immer aufgeschrieben wurden, so dass die damit verbundenen Geschichten gleich mit verloren gehen, als sei nie etwas gewesen.
Allerdings ist das (Ver-) Leugnen eine so typisch menschliche Eigenschaft, dass es sich nicht wie alte Sprachen einfach verliert, wenn der oder die letzte Kundige verstorben ist.
Es kann sich höchstens zusammen mit der Menschheit verlieren, denn Tiere sind wie – wir wissen – dazu nicht imstande.
Mal unabhängig davon, erinnern wir uns vielleicht oder gelegentlich der eigenen Leugnungen, wie auch der selbst erfahrenen Verleugnungen allerdings um so schmerzlicher.
Einige können tief sitzen, wenn sie unser Ehrgefühl verletzt haben, was auf die Leugnungen eher nicht zutrifft, da wir damit meistens unser Ehrgefühl retten wollten.
Das Christentum kennt sogar die Vorhersage einer Verleugnung, wo Jesus dem Petrus am Berge Golgatha sagt, dass dieser ihn dreimal verleugnen werde, bevor der Hahn einmal gekräht habe.
So weit bekannt, hat das auch stattgefunden, aber ansonsten sollte man mit derartigen Voraussagen vorsichtig sein—–zumindest als Irdischer.
Nun gibt es bekanntlich die eher kurzfristig angelegten Leugnungen, die sich auf temporäre Angelegenheiten beziehen, aus denen man dadurch (wie erhofft) schnell wieder raus ist und wo es meist um nicht viel mehr geht als um strafbare Handlungen (ohne Mord), kurzfristige Fremdbegattungen, die versehentliche Zerstörung einer Vase aus der Ming-Dynastie, zu schnelles Fahren oder angeblich nie erhaltene Mahnungen.
Die längerfristig angelegten Leugnungen bringen dagegen in aller Regel keinen pekuniären oder wie auch immer geldwerten Vorteil, was verwundern mag.
Aber mal ehrlich—-was bringt einem die Behauptung, die Erde sei eine Scheibe?
Umgekehrt bringt es aber auch keinen wirklich Vorteil, sie als (relativ) rund zu begreifen weil es die Plackerei (auf ihr) nicht einfacher macht, aber man hat dann wenigstens nicht geleugnet. Ein schwacher Trost!
Es soll eine nicht unbeträchtliche Zahl von Menschen geben (einige in den USA, aber vor allem in den islamischen Kulturen), welche die Darwinsche Evolutionstheorie, also die Entwicklung der Arten und Rassen über sehr lange Zeiträume leugnen und statt dessen hierfür eine göttliche Macht verantwortlich sehen, die das alles in ein paar Tagen geregelt hat.
Das ist zwar aus wissenschaftlicher Sicht ein großer Unfug, aber auch nicht wirklich schlimm, so lange man dieser göttlichen Macht außer den Jenseits-Entscheidungen nicht auch noch alle wesentlichen Diesseitsentscheidungen überlassen will, was sich bekanntlich nicht bewährt hat und das friedliche Miteinander empfindlich stört.
Neuerdings erleben wir, dass das Vorhandensein von nur zwei Geschlechtern geleugnet wird. Dies aber nicht deshalb, weil man sich auf ein einziges Geschlecht mit einigen Variationen geeinigt hätte.
Nein, man will festgestellt haben, dass die bisherige, quasi bipolare Betrachtung immer schon etwas übersehen hat und das mit der unsäglichen Folge, dass alle diejenigen, die (wie unterstellt) aus diesem Raster fallen, schon seit unendlichen Zeiten diskriminiert werden, es aber erst jetzt gemerkt haben.
Da kann man sehen, wie gefährlich eine Leugnung sein kann, weil sie neben einer dritten Toilette (und unter Missachtung der Darwinschen Theorie), jede Menge neue Geschlechter kreiert (oder designt?), die zu gut 220 „wissenschaftlichen“ Gender Studies an unseren Universitäten geführt haben und die Arbeit der bisherigen Frauen-Beauftragten gefährden, die sich bisher mit dem Schutz von nur einer Minderheit beschäftigt hatten.
Dabei stimmt es natürlich nicht, dass die Frauen in Deutschland eine Minderheit wären, aber eine solche Behauptung ist im Grunde nicht schlimmer als die, dass die Erde eine Scheibe ist.
Auch die massenhafte Schaffung von Planstellen für sog. Gleichstellungsbeauftragte, ist die Folge einer Leugnung, weil es nämlich im Grundgesetz und in der Verfassung garnicht um Gleichstellung geht, denn dieser Begriff kommt dort nicht vor. Es geht aber um Gleichberechtigung und das ist nicht nur für die Einser-Juristen ein respektabler Unterschied, der zu der verunsichernden Erkenntnis führt, dass es diese Gleichstellungsbeauftragten eigentlich garnicht geben dürfte. Eigentlich!
Was es – wie kürzlich mit Erstaunen zu hören – nach Ansicht einer Mehrzahl der führenden Wissenschaftler (?) garnicht gibt, sind Rassen.
Nun könnte man den Begriff auch gutwillig durch Ethnien ersetzen, was jedoch wenig an den z.T. auch großen rein physischen Unterschiedlichkeiten der Gattung Mensch ändert.
Zudem taucht die bange Frage auf, ob wir das künftig auch auf Hunde oder Rindviehcher anzuwenden haben, damit wir den Pekinesen nicht gegenüber dem Schäferhund diskriminieren und das gemeine deutsche Rindvieh nicht gegenüber dem Schottischen Hochlandrind.
Das muss zweifellos bedacht werden, wenn man es mit dem Tierschutz ernst meint und natürlich auch mit der Diskriminierung. Oder sehe ich da etwas falsch?
Nun wird man bei alldem zu konstatieren haben, dass bestimmte Leugnungen zu Recht und ohne Wenn und Aber zu kritisieren sind und dazu gehört z.B. ein nachweisbarer Völkermord.
Wer immer solches leugnet, mag hierfür zwar unterschiedliche Gründe anführen, schließt sich dabei aber aus dem Kreis derjenigen aus, die ein solch großes Verbrechen nicht zuletzt deshalb berechtigt beklagen, weil eine Wiederholung möglichst für alle Zeiten verhindert werden sollte.
Dies leugnen zu wollen, ist einem Kulturwesen nicht angemessen, welchem die Fähigkeit des Erkennens von Unrecht gegeben ist und welche nicht verloren gehen darf.
Zugleich ist man jedoch nur als Täter, Begünstiger oder ein Unrecht gleichgültig hinnehmender Zeitgenosse mehr oder auch weniger schuldig. Nachfolgende Generationen sind im Sinne ihres Nicht-Beteiligtseins auch nicht schuldig, denn es gibt keine Erbschuld, aber eine ererbte Geschichte, die dem Grauen historisch verpflichtet ist, welches nicht in den Rang eines Unvermeidlichen gelangen darf und damit zu einem Selbstverständnis, welches den Menschen seinem zivilisatorischen Anspruch entfremdet.
Es gibt aber einen signifikanten Unterschied zwischen dem Leugnen eines Völkermordes und etwa dem des oder eines Klimawandels. Dies vor allem deshalb, weil sich die Reste der letzten europäischen Eiszeit auch ohne den Besuch einer KZ-Gedenkstätte für alle sichtbar vermitteln.
Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass niemand den Klimawandel in Frage stellt. Niemand!
In Frage gestellt werden darf jedoch der Anteil des Menschen an einer zunehmenden Erwärmung.
Dass es einen solchen Anteil gibt, darf angesichts der weltweiten Industrieproduktion und einem anhaltenden Verlust von Tropenwald vermutet werden. Wie hoch dieser Anteil am Klimageschehen aber (wirklich) ist, wissen wir nicht, da wir dazu noch nicht lange genug über genaue Messergebnisse verfügen.
Es geht also bei der Leugnung nicht um den Klimawandel im Sinne einer Prozesshaftigkeit aus Kontinentaldrift, Diskontinuität der Erdrotation, Sonnenaktivität, Vulkanismus und Bevölkerungswachstum.
Es geht ausschließlich um den möglichen Anteil des Menschen am Klimageschehen. Ausschließlich!
Man wird auch fragen dürfen, wer in den letzten Monaten öffentlich eine Gefährdung durch Viren oder ein spezielles Virus in Frage gestellt hat?
Es ging und geht bei allen Auseinandersetzungen in diesem Umfeld einzig und allein um die Frage, ob Maßnahmen, die in so umfänglicher Weise sowohl die Bürgerrechte, als auch die ökonomische Tätigkeit einschränken, als angemessen zu bezeichnen sind. Was eigentlich, wenn sich zeigen sollte, dass die Mortalitätsrate zum Jahresende den bisherigen Durchschnittswert nicht oder kaum übersteigt?
Es gibt also auch hier niemanden, der das sog. Corona-Virus geleugnet hätte, jedoch den Umfang seiner Gefährlichkeit mit Blick auf die einschränkenden Verordnungen und ihre Verhältnismäßigkeit.
In der Reihe der regierungsamtlich auf den Plan gerufenen Verleugnungstrias aus Holocaust- Klima- und Corona-Leugnern, gibt es ganz erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Faktenbezuges, was zu unterschiedlichen Gewichtungen führen muss.
Die zunehmende, ganz offene In-Eins-Setzung, macht sowohl die Leugner eines ausschließlich von Menschen verursachten Klimawandels, als auch die Zweifler an der Berechtigung umfänglicher Einschränkungen von Bürgerrechten vor dem Hintergrund einer Seuchenbekämpfung, durch eine Zuweisung in die (sehr dünnen) Reihen der Holocaust-Leugner, allesamt zu Quasi-Faschisten am rechten Rand der Gesellschaft.
Damit hat die Denunziation der (autochthonen) Bevölkerung durch die amtierende politische Klasse eine neue Qualität, einen neuen Höhepunkt erreicht und wie zu hören, wird es auch für die Kabarettisten und Satiriker langsam ungemütlich. Wenn man eine Sendung von Dieter Nuhr nur dann ausstrahlen will, wenn man sie zuvor angemessen kommentiert hat und die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart in Hamburg nicht auftreten darf, weil man „um ihre Sicherheit“ fürchtet und einen lächerlichen Antisemitismus-Vorwurf inszeniert, an dem nichts dran ist.
Dann ist das die Ouvertüre zur „Symphonie der Tugend“, dirigiert von A. Merkel. Den Solopart hat Robert Habeck.
Die Uraufführung hat in aller Stille stattgefunden. Interesse an der Partitur wurde aus der Türkei bekundet. Der Rest Europas bekommt verbilligte Eintrittskarten. Nur Polen, Ungarn und Österreich leugnen den progressiven Charakter der Komposition, wofür sie in den deutschen Medien verleumdet werden.

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