Der Faschismus-Vorwurf in der aktuellen Debatte

Der Faschismus-Vorwurf in der aktuellen Debatte

von Michael Mansion

Nicht erst seit der aktuellen Auseinandersetzung ist der Faschismus mehr als nur ein analytisch-wissenschaftlicher Begriff, sondern vor allem hinsichtlich des Versuches, ihm eine Mehrdeutigkeit zu verleihen, ein Kampfbegriff.

Diese Doppelbegrifflichkeit bescheinigt ihm Sybille Steinbacher, Historikerin an der Goethe-Universität in Frankfurt a. M..

Historisch ist er der Moderne zuzurechnen, wenngleich sein mythisch-mystisches Bestreben, eine „Einheit von Volk und Führer“ anzustreben, auch weitestgehend archaische Züge trägt.

Wichtig ist hier auch seine eigene Positionierung im Technik-Zeitalter vor allem im Hinblick auf ein offenes Bekenntnis gegen alle demokratischen Bewegungen im Umfeld der Moderne, wie etwa bei Mussolini als der hier initialen Persönlichkeit sichtbar.

Der Historiker Christof Dipper von der TU Darmstadt sieht in Mussolini den „Erfinder“ des modernen Faschismus.

Strategisch zielt der Faschismus auf die Begründung von Massenbewegungen durch das Prinzip einer autoritär charismatischen Führerpersönlichkeit, mit dem Ziel der Konstituierung einer Diktatur.

Gesellschaft wird nicht als eine solche von Individuen gesehen, sondern als eine „Verschworene nationale Volksgemeinschaft“.

Klassischer Anti-Liberalismus und Anti-Individualismus, begleitet von einem Anti-Marxismus (S. Steinbacher), begründen hier einen (faschistischen) Totalitätsanspruch im Sinne eines herrschaftsexklusiven und rassistisch formierten Nationalismus, dessen Welt- und Gesellschaftsbild eine expansive Tendenz offenbart und mit den ökonomischen Eliten paktiert.

Unter Historikern herrscht weitestgehend Einigkeit darüber, dass der Faschismusbegriff auf Hitler und Mussolini zu begrenzen sei, um eine Verharmlosung des Begriffes zu verhindern, wie dies z.B. durch ein Wortgebilde wie „Kulturalisierter- Rassismus od. Faschismus“ geschehen kann und damit (bewusst?) eine Unschärfe erzeugen will, die sich in weite Gebiete der gesellschaftlichen Auseinandersetzung hineintragen lässt und Verstörung erzeugt.

Der für uns aus der jüngeren Historie sehr wichtige Begriff von Faschismus ist als Praxis 1945 zu Ende gegangen. Er ist (deshalb) epochal gebunden (Christof Dipper).

Seine „Tragische Modernität“ (R.Dahrendorf) verhindert eine beliebige Wiederkehr mit Bezug auf Deutschland.

Zudem verhindert der eindeutig genetisch konnotierte Faschismusbegriff eine Anwendung auf die „Linke“, da diese nicht rassistisch argumentiert und selbstverständlich auch nicht auf eine „Rechte“, so es auf diese auch nicht zutrifft.

Dipper sieht deshalb in der Anwendung des Begriffes Linksfaschismus durch J. Habermas eine wissenschaftlich nicht begründbare Entgleisung.

Begriffe wie „Linksfaschismus“ oder „Sozialfaschismus“ sind deshalb in einem wissenschaftlich korrekten Sinne unbrauchbar und erwiesen sich schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als sehr verhängnisvoll.

Ein ganz wesentlicher Aspekt der faschistischen Bewegungen ist zudem ihre Theorieferne. Es existiert (für sie) kein theoretisches Gerüst ideologiehaften Zuschnitts, wenn man das Prinzip „Welterlösung durch Expansion“ ausschließt.

Es ist also festzuhalten, dass der/ein Faschismus-Vorwurf haltlos und verleumderisch ist, wenn die folgenden Kriterien nicht erfüllt, bzw. nicht nachweisbar sind:

1. Einheitsanspruch von „Volk und Führer“

2. Offenes Bekenntnis gegen die Demokratie

3. Autoritäre Führerpersönlichkeit mit Diktatur als Ziel

4. Anti-Liberalismus, Anti-Individualismus und Anti-Marxismus

5. Herrschaftsexklusiver und rassistischer Nationalismus

6. Pakt mit den ökonomischen Eliten

7. Theorieferne

Ausgewählte Literatur:
Payne, Stanley:
Geschichte des Faschismus
Aufstieg und Fall einer europäischen Bewegung,
Propyläen: München-Berlin 2001
Claussen, Detlev
Grenzen der Aufklärung
Die gesellschaftliche Genese des modernen Antisemitismus
Fischer Taschenbuch Verlag: Frankfurt/Main 2005
sowie
Raddatz, Hans-Peter
Allah und die Juden
Die islamische Renaissance des Antisemitismus (Deutsch)
wjs verlag: Berlin 2007

 

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