Brüsseler Brexit Blues

Dr. Gudrun Eussner

1. Februar 2020

Brüsseler Brexit Blues

Fläche: 10.180.000 km²

Die EU ist knapp 500.000 km² größer als der europäische Teil Rußlands [insgesamt 16.376.870 km²]. Der Teil Europas, der nicht zur EU gehört, ist mehr als 1.000.000 km² größer als die EU.
Der Union Jack ist in Brüssel noch nicht vom Mast geholt, Großbritannien noch nicht aus der EU ausgetreten, da diktiert die EU27 unter der Leitung ihres de facto Präsidenten Emmanuel Macron den Nachrichtenagenturen bereits erste Informationen über die Marschrichtung. Bei Drucklegung der Medien für die Samstags- und Wochenendausgaben in Frankreich ist alles klar.
„Der Brexit wurde möglich durch die Lügen, die während der Kampagne für das Referendum vom Juni 2016 verbreitet wurden, aber auch, weil sich Europa nicht ausreichend verändert hat.“ Mit „Europa“ kann Emmanuel Macron in seiner Abschiedsrede, Freitag, 31. Januar 2020, nur die EU meinen, aber beide sind für ihn schon lange ein und dasselbe; er erhebt Anspruch auf ganz Europa!
Entsprechend titelt Le Figaro, Drucklegung ebenfalls vor dem Austrittstermin, Mitternacht MEZ des 31. Januar 2020, „Macron appelliert an die Europäische Union, sich neu zu erfinden.“ Macron appelle l’Union européenne à se réinventer.  Le Figaro hält den Artikel für so wichtig für alle Leser, daß er nicht hinter der Bezahlschranke verborgen wird. Danke dafür!
Er belehrt die Briten, daß sie nunmehr zwar nicht mehr die gleichen Pflichten hätten, aber auch nicht mehr die gleichen Rechte wie die EU27: „Man kann nicht gleichzeitig drinnen und draußen sein.“ Wer hätte es gewußt?
In scheinbarer Selbstkritik folgt: „Wir haben unser Europa [sic] nicht genug verändert. … Europa kann nur vorwärts gehen, wenn wir es von Grund auf reformieren, um es souveräner zu machen, demokratischer, näher an unsren Mitbürgern.“
Wer in der Schule aufgepaßt hat, der weiß, daß man souverän und demokratisch nicht steigern kann, daß es sich um Phrasen handelt wie die, sich den Mitbürgern mehr zu nähern. Letzteres will auch eine Mehrheit der Franzosen nicht vom Präsidenten, jedenfalls nicht in Nord-Katalonien, wo ich lebe. Er möge fern bleiben!
„Je mehr sich die Briten von den Bedingungen des Binnenmarktes entfernen, desto mehr ändert sich unsere zukünftige Beziehung“, und der Brexit sei „ein tiefer Bruch für Europa“, wird Angela Merkel zitiert. Wer hätte es gewußt?
Ursula von der Leyen meint gar: „Die Erfahrung hat uns gezeigt, daß die Stärke nicht in einem isolement splendide, einer Splendid Isolation liegt, sondern in unserer einzigartigen Einheit.“
Was ist von einer EU-Kommissionspräsidentin zu halten, die sich einbildet, die Briten verfielen in Splendid Isolation? Warum, denkt sie wohl, will Boris Johnson unbedingt zum 31. Dezember 2020 den Brexit-Vertrag erledigt haben? Seit dem Referendum, vom 23. Juni 2016, verhandeln britische Regierungsbeamte in Washington über  einen Freihandelsvertrag mit den USA. David Davis, wie Boris Johnson geboren in New York, Brexit Sekretär der Theresa May, von Juli 2016 bis Juli 2018, „warnte, daß die Verhandlungen des Vereinigten Königreichs mit der Europäischen Union ‚turbulenter‘ werden, als er bestätigte, daß ein Handelsvertrag mit den USA nicht in Kraft treten kann vor dem Ende der Übergangsphase.“
„Seine Kommentare [vom 1. September 2017 !] gegenüber einem Publikum in Washington kommen einen Tag, nachdem er, am Ende der letzten Verhandlungsrunde, mit dem Chefunterhändler der EU Michel Barnier öffentlich zusammen stieß.“ Bei dem Publikum handelt es sich um Mitglieder der Handelskammer der USA.

David Davis: Brexit negotiations with the EU will get ‚turbulent‘. By Josh May,

Inoffizielle Verhandlungen mit den Staaten des Commonwealth, mit Japan, China und weiteren Staaten laufen längst. Für offizielle Verhandlungen besteht ab sofort kein Hinderungsgrund mehr.
Aber auch Frankreich und Deutschland bleiben nicht untätig. Spanien holen sie mit in den Hubschrauber zur Schaffung einer Luftwaffe der EU: „Frankreich, Deutschland, Spanien: Schaffen wir die europäische Luftstreitkraft“

France, Allemagne, Espagne : construisons la puissance aérienne européenne.
Par les généraux Philippe Lavigne, Ingo Gerhartz et Javier Salto, Le Figaro, 31 janvier 2020
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