Wir müssen die Protestgründe verstehen!

Walter Hollstein
 
„Viele junge Männer wählen rechts. Denn das traditionelle Männerbild wird überall kritisiert, Männer werden als Defizitwesen hingestellt. Es ist höchste Zeit, die Geschlechterpolitik kritisch zu hinterfragen. Ein Gastbeitrag.“
 
(…) Soziologie – das an die Adresse des Wiener Kollegen – bedeutet, dass die soziale Wirklichkeit unvoreingenommen beobachtet wird, dass Daten erhoben werden und dass man letztere neutral interpretiert. Beschreiben, dann verstehen und nach dem Verstehen darf man werten, aber niemals verunglimpfen. Normalerweise lernen das Studierende im ersten Semester, sollte ihnen das nicht schon in der Kinderstube beigebracht worden sein. Nun erstaunt der Hype auch insofern, weil Österreich alles andere als der Sonderfall ist, als den es sich jetzt darstellt. Der Tatbestand, dass junge Männer verstärkt „konservativ“ wählen, ist seit geraumer Zeit bekannt. Er gilt für nahezu alle EU-Staaten, und in den USA ist belegt, dass die „angry white young men“ Anhänger von Donald Trump sind. Also wäre es wichtig, einmal zu fragen, warum dem so ist, respektive geworden ist, denn noch vor einem dutzend Jahren hat die Mehrheit der jungen Männer für Rot-Grün gestimmt. Was ist geschehen?“ (…)


http://www.tagesspiegel.de/politik/junge-maenner-und-rechtspopulismus-wir-muessen-die-protestgruende-verstehen/13672502.html
Kommentar GB:
Ist es legitim, keine feministische Partei wählen zu wollen? Ja, zweifellos.
Und welche Parteien können in diesem Fall genannt werden?
Die LINKE? Die Grünen? Die SPD? Die CDU? Die CSU? Die FDP? Die AfD? Die ÖdP? Oder… ?
Hier eine Kritik an dem Text von Walter Hollstein:

(…) „Interessant war auch ein Text des Männerforschers Walter Hollstein, mit dem ich längst nicht in allen Punkten überein stimme. Im »Tagesspiegel«  erklärte er in der ersten Hälfte seines Gastartikels, wie bestimmte Verschiebungen in der Arbeitswelt von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft die Rolle der Männer auf breiter Front zurückgedrängt haben. Sein Ansatz stimmt schon: Die Männer fallen aus dem klassischen Rollenmuster des letzten Jahrhunderts heraus. Damit empfinde ich die Rolle der Ökonomie als treibende Kraft bei der Beurteilung der Geschlechterverhältnisse grundätzlich gewürdigt (was mir früher bei ihm zu kurz kam). Ob die viel gepriesene Dienstleistungsgesellschaft die verlorenen Jobs im selben Umfang auffangen kann und ob sie damit zu einer substanziellen Rollenumkehr führt, darf allerdings angezweifelt werden. Die erzielten Einkommen im Dienstleistungsbereich sind ja eher bescheiden und die pseudo-religiösen Plagen à la »Globalisierung« (die den Ex-Exportweltmeister Deutschland komischerweise ganz unerwartet getroffen haben) lassen den Dienstleistungssektor nicht gerade als verlässliche Größe glänzen.

Wenn man dann noch das Stichwort »Industrie 4.0« hinzu nimmt, sieht’s komplett düster aus mit der Arbeit in ihrer Funktion als traditionelle Existenzabsicherung. Wie ich hörte, ist die Globalisierungskarawane mittlerweile schon wieder in Deutschland angekommen: Adidas will nämlich wieder in Deutschland produzieren lassen – allerdings mit menschenleeren Fabriken. So gesehen, ist die Emanzipation lediglich das Vehikel, mit dem Rationalisierungen im gesamten Produktionsbereich ideologisch verschleiert und frauenfreundlich aufgehübscht werden. Lohndumping ist hier das Zauberwort! Solche Zusammenhänge nicht zu thematisieren, ist übrigens eine der größten Fehlleistungen der politischen Linken.

Was mich an der zweiten Hälfte des Hollstein-Textes am meisten stört, ist das seit Jahren gleichförmige Vokabular der Geschlechterforscher bezüglich der »Verunsicherung der Männer«. Es mag ja sein, dass all diese neoliberalen Eskapaden junge Männer ins Grübeln bringen, aber mich persönlich nervt dieses Mantra von der »Verunsicherung der Männer« maßlos. Wenn man schon mit rationalistisch-ökonomischen Analysen anfängt, sollte man sie auch bitte genau so zu Ende denken und nicht in die küchenpsychologische Kaffeesatzleserei verfallen. Das passt auch besser zum Wählerverhalten der Männer, das Hollstein in seinem Text ebenfalls anspricht.

Viel zu oft wird der Begriff »Verunsicherung« als »Verunsicherung der Männer gegenüber den völlig neu dekonstruierten, feministisch (mehr oder weniger) bewegten Frauen« hochgehalten. Stimmt das? In meinem bescheidenen Alltag ist Verunsicherung breitflächig verteilt, bei Männern wie bei Frauen – mit dem Schwerpunkt auf den immer schon fragilen Existenzsorgen und weniger als Phänomen aus dem Verhaltens- oder gar Intimbereich. Männer sind vielleicht ökonomisch verunsichert (und das zu Recht), aber das sind alle Lohnsklaven heutzutage, auch – und fast noch mehr – die Frauen. Und von selbstbewussten Frauen im Beziehungs- und Geschlechtergewirr sehe ich weit und breit nichts. »Verunsicherte Männer« sind genauso nicht verunsichert, wie pampige Feministinnen nicht »selbstbewusst«, sondern einfach nur unverschämt sind. Für die urbanen Legenden, nach denen Frauen nun in beziehungstechnischer Hinsicht den Männern (aufgrund ganz doller Schriften wie denen von Alice Schwarzgeld oder Simone au Revoir u.a.) überlegen sein sollen, gibt es keine belegbare Grundlage. Dass Männer sich tendenziell weniger binden wollen, sagt wahrscheinlich mehr über ihren Pragmatismus als über ihre psychologischen Defizite aus.“  –  Quelle:

http://www.stadtmensch-chronicles.de/detailansicht/datum////sie-wissen-wirklich-nicht-was-sie-tun/
 
 
 
 
 
 
 

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