Islamisten in Deutschland

Interview mit Berna Kurnaz
„Nach den vereitelten Anschlägen auf die Düsseldorfer Altstadt ist klar: Auch in Deutschland gibt es gewaltbereite Islamisten. Genau das soll Berna Kurnaz verhindern. Sie deradikalisiert seit 2012 Islamisten und berät deren Angehörige. Der Anteil der radikaleren Fälle sei erschreckend groß und wachse ständig. (…)

Können Sie einen Fall genauer schildern?
Ich begleite einen jungen Mann, mittlerweile 19 Jahre alt, der, seitdem er 16 ist, zum Islamismus tendiert. Er war in unterschiedlichsten Jugendbewegungen, hat die Nächte durchgetanzt, gekifft, war eine Zeit lang bei den Punks, hat dann nationalistische und faschistische Tendenzen aufgezeigt und letztendlich hat er seinen Platz in der salafistischen Community gefunden.
Was hatte die, was er in den andern Bewegungen nicht gefunden hat?
Er kam aus einer sehr zerrütteten Familie ohne Vaterfigur. Seine Mutter war alleinerziehend. Sie hatte häufig wechselnde Partner, die sehr gewalttätig waren. Er wuchs also mit einem ganz negativen Männerbild auf und erlebte eine sehr schwache und passive Mutter. Im Salafismus fand er einen Familienersatz, er hat sich auf Anhieb dort wohl gefühlt. Er hatte zum Beispiel keine Geschwister und plötzlich hieß es: „Du bist mein Bruder.“ Und er hat stabile und dauerhafte Mann-Frau-Beziehungen kennengelernt. Die Hauptanziehung lag aber sicherlich darin, gottesfürchtige und daher für ihn zwangsläufig gute Männer und damit Rollenvorbilder um sich zu haben, die sich um ihn gekümmert haben.
Wie hat die Mutter darauf reagiert?
Zuerst hat sie sich gefreut, weil er aufgehört hat zu kiffen und nicht mehr nachts um die Häuser gezogen ist. Er hat sich zurückgezogen, viel gelesen und gebetet. Doch dann begann er nach und nach, sie abzuwerten. Für ihn war sie eine „Ungläubige“ und eine „Schlampe“, weil sie sich für wechselnde Partner hergab. Sie hat uns dann kontaktiert, weil sie sich so hilflos in der Situation gefühlt hat.
Wie ist der Fall ausgegangen?
Die Mutter war leider nicht bereit, sich auf einen langfristigen Prozess einzulassen. Sie wollte hören, dass ihr Kind fehlgeleitet und ein „Spinner“ ist. Es ist für Eltern oft nicht einfach, den eigenen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes zu betrachten. Sie fühlen sich plötzlich schuldig und blockieren Prozesse, dabei geht es uns gar nicht um die Schuldfrage. Doch dann hat der Sohn hat das Gespräch gesucht. Das war allerdings nicht so einfach, weil er eigentlich mit Frauen nicht reden wollte oder durfte.“ (…)
http://www.cicero.de/berliner-republik/deradikalisierung-von-islamisten-einige-fangen-zu-weinen-oder-zu-zittern/60856

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