Brüssel pocht auf Entscheidungsrecht über Ceta

  • Die EU-Staaten steuern auf einen Konflikt mit der EU-Kommission zu.
  • Sie wollen bei der Entscheidung über das Freihandelsabkommen Ceta mitreden – die EU-Kommission will das nicht.
Von Alexander Mühlauer

Die nationalen Parlamente der EU-Staaten sollen nach dem Willen der Europäischen Kommission nicht über das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) abstimmen. Dies erklärte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel in Brüssel.
Mit dieser Haltung steuert die Kommission auf einen Konflikt zu, denn die Mehrheit der Mitgliedsstaaten ist anderer Meinung. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich strikt dagegen ausgesprochen, Ceta als reines EU-Abkommen einzustufen. Aus seiner Sicht muss der Deutsche Bundestag darüber abstimmen.
Um sich gegen die Kommission durchzusetzen, bedarf es allerdings der Einstimmigkeit: Alle EU-Staaten müssten sich dafür aussprechen, Ceta als sogenanntes gemischtes Abkommen einzustufen, also einen Vertrag, der nationale Kompetenzen berührt. Doch in dieser Frage gibt es unterschiedliche Auffassungen. So hat der italienische Wirtschaftsminister bereits in einem Brief an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zugesagt, die Kommissionslinie zu unterstützen.
http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/freihandelsabkommen-bruessel-pocht-auf-entscheidungsrecht-ueber-ceta-1.3055558
und kritisch hierzu:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/warnung-von-vizekanzler-gabriel-wenn-die-eu-kommission-das-macht-ist-ttip-tot-a-1100425.html
Kommentar GB:
Das ist ein Beispiel für das was falsch läuft in der EU.
Erstens gibt es eine fundierte und begründete Kritik an CETA und ähnlichen Freihandelsabkommen, die im Interesse des Kapitals, speziell des nordamerikanischen Kapitals abgeschlossen werden sollen: es geht dabei um eine ökonomische Entsprechung zur NATO, also um die Stärkung der ökonomisch-transatlantischen Beziehungen, oder der globalen Macht der USA, und zwar als Gegenstück zur gleichzeitigen Schwächung und Spaltung (Osteuropa, Ukraine) der eurasischen Beziehungen (Rußland, China), die sich ansatzweise bereits entwickelt hatten. Und die EU fügt sich. Das ist die geopolitische Seite.
Zweitens offenbart der Fall das demokratische Defizit der EU. Die kapitalistische Nomenklatura in Brüssel zeigt heftigen Widerwillen gegen gewählte Parlamente, und erst recht gegen Volksabstimmungen und andere Formen direkter Demokratie. Sie richten sich in ihren Privilegien ein, und wie immer, so werden auch in diesem Fall Privilegien mit Zähnen und Klauen verteidigt.
Drittens wird den wahlberechtigten Bürgern dadurch noch bewußter, daß sich in Europa, wenn auch mit kapitalistischem Vorzeichen, politische Herrschaftsverhältnisse gebildet haben, die denjenigen in der früheren DDR (Berlin) und insbesondere in der Sowjetunion (Brüssel) immer mehr zu ähneln beginnen. Das Kapital hat damit überhaupt kein Problem, ganz im Gegenteil. Es kann jetzt schon vermittelt über den berüchtigten EU-Lobbyismus seine Interessen wirkungsvoll zur Geltung bringen. Die nationalen Parlamente sind weitestgehend ausgeschaltet: auf Grundlage der europäischen Verträge hat sich eine supranationale Herrschafts- und Rechtsebene oberhalb der Nationen und der nationalen Verfassungen gebildet, die zwar über fast gar keine demokratische Legitimiation mehr verfügt, darauf aber auch pfeift. Das Kapital bzw. seine Fraktionen können so ihre ökonomischen Interessen politisch direkt mit der sehr willigen EU-Nomenklatura vermitteln, die ihrerseits gern tut, was ihr so in den Bürokratenkopf kommt: Gender Mainstreaming zum Beispiel. Das ist der aktuelle postdemokratische Zustand, gegen den die Engländer votiert haben. Und das vor allem wäre zu ändern, nicht wahr, Herr Juncker …
Demokratien und gewählte, mit realen Kompetenzen ausgestattete Parlamente brauchen, um die stets nötigen politischen Lernprozesse der Gesellschaften in Gang zu halten, das Wechselspiel von Regierung und wirksamer Opposition. Große Koalitionen sind daher generell schädlich. Gebraucht wird eine tatsächliche  Gewaltenteilung, damit eben – wie bekannt – ein hinreichendes Maß an Öffentlichkeit und Kontrolle, aber auch an machtpolitischer Selbstbeschränkung gewahrt bleibt. Anders können die politischen Gravitationskräfte, die machtpolitisch zum zentralistischen Totalitarismus tendieren, zukünftig – wie sich bereits deutlich erkennbar abzeichnet, unter ideologisch-islamischer Dominanz – nicht ausbalanciert werden.
 
 
 
 
 
 
 
 

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