Katholischer Kirchentag in Leipzig 2016

Glaube als Fleischbrühe

Arno Kleinebeckel 30.05.2016

„Leipziger Allerlei: Katholikentag wird Atheistentag – Grüne Schals und keine Botschaft“

„Kardinal Reinhard Marx, der nicht aussieht, als ob er schon mal einen Flüchtling aus der Nähe gesehen hätte, gibt sich ganz auf Linie mit dem päpstlichen Jahresmotto („Barmherzigkeit“). Beim Open-Air-Abschlussgottesdienst in Leipzig verpasst er simple humanistische Streicheleinheiten. „Wenn jemand an unsere Grenze kommt, dann muss er menschlich behandelt werden.“ Alles klar, eine einfache Botschaft, Widerspruch von vornherein ausgeschlossen. 15.000 Besucher waren nach Schätzungen bei der „Nacht der Lichter“ dabei. So kommt Wellfeeling auf. Ob den Lichtschwenkern aber auch ein Licht aufging?“ (…)

„Reines Desinteresse“

„Sie kommen offensichtlich gut zurecht ohne Gott“, sagt Gregor Giele, Pfarrer der Leipziger Propsteikirche, „sie vermissen gar nichts, halten sich für die Normalen.“ Er meint die Atheisten. Mit klassischen Atheisten, so Giele resigniert, könne man debattieren und streiten. Aber was er und seine geistlichen Mitstreiter in und um Leipzig erfahren, sei etwas anderes: reines Desinteresse. Auch Innenminister Thomas de Maizière und Sozialministerin Andrea Nahles waren nicht imstande, zu begeistern. Politik – okay, aber Politik hilft dem Glauben offenbar auch nicht auf die Beine, zumal in Zeiten, in denen „Kirche“ sich preiswert humanistisch gibt, jedoch ohne anzuecken. Das Ergebnis? Ganze Stuhlreihen – einfach leer.

„Halte von uns fern, was uns schadet“, säuselt Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, vor der Menschenmenge, die er sich gern wohl üppiger gewünscht hätte. Ferngehalten vom Katholikentag hat das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) als Veranstalter vor allem die Alternative für Deutschland, bemerkt süffisant das Deutschlandradio; Vertreter der AfD hätten der Debattenkultur nur geschadet, meint ZdK-Präsident Thomas Sternberg.

Die Kirche müsse „mit peinlicher Sorgfalt alles entfernen und ausmerzen, was gegen den Glauben ist oder dem Seelenheil irgendwie schaden könnte“, so einer der überlieferten und bis heute wohl gültigen katholischen Glaubenssätze1. Freilich, Doktrinäres verträgt sich nicht mit dem Wellfeeling von Leipzig.

Kurioserweise scheint die katholische Institution jedoch gerade dabei zu sein, ihren eigenen Glauben auszumerzen. Eine angeschlagene Kirche: 217.716 Schäfchen kehrten ihr 2014 den Rücken. Das schwankende Kirchenschiff wandelt sich – das lehrt Leipzig auch – in eine Kirche ohne Glauben. Was bleibt, ist Leipziger Allerlei: Ein bisschen Seelenmassage, eine Portion Politik, problemfreie Unterhaltung (diesmal in Form der „Wise Guys“), ansonsten unverbindlicher Symbolismus – grüne Schals und willkürliche Bibelsprüche, die ohne Spirit einfach nicht zünden wollen.“

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48389/1.html

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