Spätrömische Verhältnisse – oder: Vom diskreten Charme der Dekadenz

Von Wolfgang Herles
„Darf man Angela mit Salome vergleichen, und wie sollte das möglich sein?
Und Dekadenz ist etwas sehr, sehr Schönes. In der Oper.“
(…) „Demandt erklärt den Fall des Römischen Reichs als Folge unbeherrschter Einwanderung. Im alles andere als nationalistische Römerreich (jeder konnte Römer werden, der Recht und Kaiser akzeptierte) waren Einwanderer als Siedler, Steuerzahler und Söldner willkommen. Bis die Völkerwanderung begann. Es setzte sich im vierten Jahrhundert in Rom allerdings die „Wir-schaffen-das-Partei“ durch. Der Kaiser glaubte auch aus christlicher Nächstenliebe zu handeln und ließ die Goten unkontrolliert über die Donau strömen.
Es war der Anfang vom Ende. Bald kam es zu Versorgungsproblemen. Andere Migrantengruppen, arm, kinderreich und kriegerisch, fühlten sich eingeladen. Plötzlich funktionierte auch die Integration der Fremden nicht mehr, jahrhundertelang ein Erfolgsmodell der Römer. Die Zahl der Migranten war jetzt einfach zu hoch. Da wir beigebracht bekommen haben, dass die Römer an ihrer Dekadenz, am Verfall der Moral, an Maßlosigkeit und Völlerei untergegangen seien, stellt sich jetzt allerdings die Frage, was falsche Einwanderungspolitik mit Dekadenz zu tun hat?
Vielleicht hätte ein wenig mehr Angst vor Veränderung den römischen Eliten gut getan, etwas weniger dolce vita, etwas mehr Verteidigung der eigenen Werte. Wie das Volk dachte, wissen wir nicht, es gab damals noch keine Allensbach-Umfrage. Ein Gefühl der Unsicherheit griff vermutlich um sich, als es zu ersten Versorgungsengpässen kam, während die Kaiser_in und ihr Hof noch immer satt, selbstzufrieden und von moralischem Größenwahn durchdrungen die Dinge auf sich zurollen ließen.“ (…)
Zum Artikel:
http://www.rolandtichy.de/kolumnen/herles-faellt-auf/spaetroemische-verhaeltnisse-oder-vom-diskreten-charme-der-dekadenz/

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