Wenn Sie diesen Artikel lesen, sind Sie am Leben. Was zunächst banal klingt, ist keineswegs selbstverständlich. Wenn Sie vor 1983 geboren wurden, hätten Sie übermorgen vor genau 39 Jahren sterben können. Zusammen mit Milliarden weiteren Menschen. Wenn Sie nach 1983 geboren wurden, ist es ein Wunder, dass Sie überhaupt das Licht der Welt erblickt haben. Ihr Leben verdanken Sie, verdanken wir alle, einem Mann. Sein Name ist Petrow. Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow. Seines Zeichens ehemaliger Oberstleutnant der Luftverteidigungskräfte in der Sowjetunion. Unser aller Existenz verdanken wir seinem kühlen Kopf und seiner beherzten Zurückhaltung am 26. September 1983. In dieser Nacht meldete das sowjetische Luftüberwachungssystem fehlerhafterweise den Start mehrerer amerikanischer Interkontinentalraketen auf dem Weg Richtung Sowjetunion. Die Entscheidung, noch „rechtzeitig“ den Befehl für den nuklearen Gegenschlag zu geben, lag bei Petrow. Die Entscheidung über Leben und Tod von Milliarden Menschen lastete auf seinen Schultern. Letztlich entschied er sich entgegen aller Indizien des Computersystems gegen den Abschuss der Atomraketen und tat damit nichts Geringeres als die Welt zu retten. In heutigen Kriegszeiten, da die apokalyptische, den Homozid auslösende Wirkung eines nuklearen Infernos den Menschen in Politik und Medien immer weniger bewusst zu sein scheint, ist es mehr als angebracht, zu diesem historischen Tag daran zu erinnern. Daran zu erinnern, wie sehr wir als Menschheit nicht nur im Kalten Krieg, sondern auch heute noch am Abgrund einer atomaren Vernichtung balancieren. Wir wollen hierbei einen würdigenden Blick auf den mittlerweile verstorbenen Stanislaw Petrow werfen, der in jener schicksalshaften Nacht entgegen eindeutiger Computerrechenergebnisse seinem Gewissen folgte.
(…) „Unser aller Glück war es, dass in diesen Morgenstunden ein integrer Mensch Entscheidungsträger war. Ein integrer Mensch und kein „Apparatmensch“ (Erich Fromm), der — einer Maschine gleichkommend — strikt nach Vorgabe, Protokoll und Norm verfährt.“ (…)
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