Wolfgang Ischinger im Gespräch mit den NachDenkSeiten

„Der Westen ist in der Defensive“

04. Juli 2022 um 14:36 Ein Artikel von: Florian Warweg

Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) und jetziger Vorsitzende des Stiftungsrates der Siko, Wolfgang Ischinger, traf sich am 1. Juli mit Journalisten, Wirtschaftsvertretern und Diplomaten zu einem Gespräch über die Lage in der Ukraine sowie die Gipfeldiplomatie der letzten Wochen. Die NachDenkSeiten waren dabei, fragten nach und dokumentieren für unsere Leser das aufschlussreiche Gespräch. Von Florian Warweg.

Wolfgang Ischinger im Gespräch mit den NachDenkSeiten: „Der Westen ist in der Defensive“

Kommentar GB:

Wenn es gelingen sollte, eine weitere Eskalation zu vermeiden und zu konstruktiven Verhandlungen zurückzukehren, um letztlich wieder einen Friedenszustand zu erreichen, dann wäre das ein Grund großer Erleichterung. Aber die Zerstörung der bereits entwickelten innereurasischen Beziehungen (Wirtschaft, u.a.m.) ist der US-Politik im Sinne eines indirekten Effektes bereits jetzt gelungen, und daran dürfte auf absehbare Zeit kaum – oder sehr schwer – etwas zu ändern sein. Rußland orientiert sich bereits jetzt nach Zentral-, Ost- und Südasien und wendet sich von EU-Europa ab, weil umgekehrt dieses sich von Rußland aufgrund dessen Angriffs auf die Ukraine abgewandt hat. EU-Europa büßt damit jene kleinen Handlungsspielräume ein, die es bisher gegenüber den USA und der NATO noch hatte. Die NATO-Beitritte Schwedens und Finnlands zeigen das auf dieser Ebene. Die politische Abhängigkeit der EU von den USA ist daher derzeit so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Für die USA ist auch das ein außenpolitischer Erfolg. Und europäische Spitzenpolitiker erwecken den Eindruck, als hätten sie sich mit ihrer Rolle in der abhängigen Zweitrangigkeit arrangiert. Wenn sich die eurasische Spaltung weiter vertieft und entwickelt, wird das zu Lasten EU-Europas gehen, so wie die Kriegskosten und Kriegsfolgekosten (i.w.S.) von EU-Europa zu tragen sein werden. Die USA hingegen können es sich leisten, Krieg führen zu lassen – und zu gewinnen.

 

 

 

 

 

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