„Nur Gerichte könnten jetzt noch den Versuch stoppen, die Gesellschaft von oben umzukrempeln.“
Es ist doch immer wieder frappant zu sehen, wie Menschen der Illusion verfangen sind, die Judikative sei zu autonomen Rechtshandeln fähig, anstatt die Binsenweisheit der herrschaftslegitimierenden Funktion des Rechts anzuerkennen. Sowohl früher, v. a. aber gerade jetzt, wo die Politik immer mehr neototalitäre Züge annimmt, zeigt sich die wirkungsmächtige Einheit der drei Gewalten.
Dazu liefert das Staatsrecht wieder mal den rechtsdogmatisch-evidenten Beweis:
„Die ´Dritte Gewalt´wirkt als streitentscheidende, vor allem aber auch rechtswahrende und rechtskontrollierende Gewalt an den Reibungs- und Konfliktpunkten zwischen Norm und Lebenssachverhalt. Sie hat den verfassungsverbindlichen Auftrag, in Anwendung der anerkannten juristischen Auslegungsregeln und in der Pflicht zu rational nachvollziehbarer Begründung ihrer Entscheidung, diese Reibungspunkte i.S. des demokratischen Gesetzgebers aufzulösen und den Rechtsfrieden zwischen den Beteiligten herzustellen. Die Rechtsfrieden sichernde Funktion der Justiz, die vor allem durch fairen und effektiven Rechtsschutz, Streitentscheidung, Öffentlichkeit, Rechtssicherheit, Rationalität, Gleichheit und Gerechtigkeit sowie autoritär erfolgt, ist dabei nicht als bloßer ´Durchsetzungsmechanismus´, sondern als Akzeptanz- und Legitimitätsschaffung zu verstehen, wobei die Richter die Aufgabe von Gesetzeswahrern und nur sehr begrenzt und subsidiär von Rechtsgestaltern besitzen.“
(Katz/Sander: Staatsrecht. Grundlagen, Staatsorganisation, Grundrechte, Heidelberg 2019, S. 286 f., Rd.-Nr.: 549).
Indirekt wird im letzten Satz auf das Richterrecht verwiesen. Dazu noch ein kurzer Hinweis:
„Der Richter ist zur Rechtsanwendung, nicht zur Rechtsetzung berufen. Rechtsanwendung … erfordert, daß der Richter selbst rechtliche Maßstäbe entwickelt und insoweit rechtsschöpferisch tätig wird. Auf diese Weise entstehen bestimmte Rechtsprechungsgrundsätze, die ständig Anwendung und Beachtung finden und daher als ´Richterrecht´ bezeichnet werden mögen. Der Ausdruck ´Richterrecht´ darf im übrigen nicht irreführen: Während der Gesetzgeber nach seinen Vorstellungen gestaltend tätig werden kann, … hat der Richter vom geltenden Recht auszugehen und dieses bei Lücken und Zweifeln zu ergänzen und zu konkretisieren. Richterrecht kann daher nur im Rahmen des gesetzlichen Rechts entstehen; es kann nur gesetzeskonkretisierendes und gesetzesergänzendes, nicht aber gesetzeskorrigierendes Richterrecht geben. In diese Grenzen ist es aber nicht nur legitim, sondern auch unverzichtbar.“
(Hartmut Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht. München 2009, S. 79 f., Rd.-Nr.: 35)
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Kommentar Harald Krauss: