Berliner Neutralitätsgesetz

CDU verlangt nach Entscheidung im Kopftuchstreit Konsequenzen

Einer muslimische Lehrerin in Berlin wurde verboten, im Schulunterricht ein Kopftuch zu tragen. Dagegen legte sie Klage ein – und bekam vor dem Bundesarbeitsgericht Recht. Die CDU will es dabei nicht belassen.
Das Land Berlin darf einer muslimischen Bewerberin für eine Lehrerinnenstelle nicht pauschal das Tragen eines Kopftuches verbieten. Das im Berliner Neutralitätsgesetz enthaltene pauschale Verbot des Tragens religiöser oder anderer weltanschaulicher Symbole im Schulunterricht stelle eine nicht hinzunehmende Diskriminierung wegen der Religion dar, urteilte am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht. (AZ: 8 A_ZR 62/19) Die Erfurter Richter bestätigten damit im Ergebnis das Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg, welches einer muslimischen Stellenbewerberin eine Diskriminierungsentschädigung zugesprochen hatte.“ (…)

https://www.welt.de/politik/deutschland/article214503146/Kopftuchverbot-an-Schulen-Muslimische-Lehrerin-darf-Kopftuch-tragen.html
Kommentar Reinhard Hascha:

Es zeigt sich erneut: Vertreter der Judikative sind unfähig, das strukturelle Wesen des Islam in rechtsleitende Urteile umzusetzen. Oder ist es Devotion bzw. vorauseilender Gehorsam vor politischem Mainstream?

Staatlich provozierte Beeinträchtigung nicht nur des Schulfriedens

http://www.gam-online.de/text-aufhebung.html

REZENSION: Rainer M. Wolski: Gebetspausen am Arbeitsplatz – Erwartungen geflüchteter Muslime. Basiswissen für Arbeitgeber. Luxembourg 2016. 136 S. Paperback. ISBN 9781532977688. 19,91 €.

2. Urteil des BVerfG 2015: „Pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrkräfte an öffentlichen Schulen ist verfassungswidrig.“ Zur Begründung wieder ein Auszug aus der Argumentationsfigur der Leitsätze: „Ein angemessener Ausgleich der verfassungsrechtlich verankerten Positionen … erfordert eine einschränkende Auslegung der Verbotsnorm, nach der zumindest eine hinreichend konkrete Gefahr für die Schutzgüter vorliegen muss.“ Der abschließende Satz dokumentiert noch mal die Brisanz des Problems. „Werden äußere religiöse Bekundungen durch Pädagoginnen und Pädagogen in der öffentlichen bekenntnisoffenen Gemeinschaftsschule zum Zweck der Wahrung des Schulfriedens und der staatlichen Neutralität gesetzlich untersagt, so muss dies für alle Glaubens- und Weltanschauungsrichtungen grundsätzlich unterschiedslos geschehen … “ (34).

Wenn dem so ist, zeigt sich hier doch folgendes politisches Desiderat: Wäre nicht diese Aussage ein Auftrag an den Gesetzgeber, endlich konsequent die Trennung von Staat und Kirche/Religion und Privatsphäre rechtlich zu sanktionieren? Die Wahrung des Schulfriedens ist jedoch in Interdependenz zum Grundsatz der staatlichen Neutralität zu sehen. Seine Rechtswirksamkeit wiederum hängt vom Grad ihrer konkreten Ausgestaltung ab. Erst diese schafft, im konkreten Fall, die notwendige Rechtssicherheit für die Lehrkräfte und v. a. die Schulleitung zur Wahrung des Schulfriedens. Ab wann von einer Störung des Schulfriedens gesprochen werden kann, hängt nun nach wie vor von der Ermessensentscheidung[1], also der Rechtsfolgenseite, der Schulleitung ab.

Zu c): In welch eine schwierige Situation ein Arbeitgeber geraten kann, wenn er vor die Wahl gestellt wird, in einem Konflikt zwischen arbeitsvertraglicher Pflichterfüllung (auch Direktionsrecht) und islamischer Glaubensausübung eines Muslims rechtssicher entscheiden zu müssen, zeigt folgender Sachverhalt: Ein Muslim weigerte sich der Anweisung des Arbeitgebers Folge zu leisten und Alkoholika in einem Warenhaus einzuräumen. Angeführt wird ein Urteil des BAG 2011 „Arbeitsverweigerung wegen Glaubenskonflikt“. „In seiner Begründung verweist das BAG darauf, dass das Beharren des Arbeitgebers auf Vertragserfüllung ermessensfehlerhaft sein kann, wenn der Arbeitnehmer geltend macht, dass er aus religiösen Gründen an der Ausübung der angewiesenen Tätigkeit gehindert ist. Die Kündigung durch den Arbeitgeber kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn es keine anderen naheliegenden Beschäftigungsmöglichkeiten gibt“ (37 f.).

 



[1] Vor welch oftmals komplizierten Situation das Lehrpersonal in dieser Hinsicht steht, soll folgende Aussage verdeutlichen: Das Ermessen schafft zwar einen Entscheidungsspielraum, die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass das „ … Ermessen keine Freiheit oder gar Beliebigkeit vermittelt. Es gibt kein ´freies Ermessen´ (auch wenn diese irreführende Formulierung heute noch gelegentlich erscheint), sondern nur ein ´pflichtgemäßes Ermessen´ oder besser: ein rechtlich gebundenes Ermessen. Das ist in § 40 VwVfG … klar ausgesprochen: die Behörde hat (ist verpflichtet) ´ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten´. Wenn sich die Behörde nicht an diese rechtlichen Bindungen hält, handelt sie ´ermessensfehlerhaft´ und damit rechtswidrig. Die Verwaltungsgerichte können die Beachtung dieser Ermessens(rechts)bindungen überprüfen.“

Hartmut Maurer: Allgemeines Verwaltungsrecht. München 2009, S. 140.

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Kommentar Hartmut Krauss:

Ich kann es immer wieder nur erneut darlegen:

„Von ebenso zentraler wie elementarer Bedeutung für eine angemessene Urteilsbildung ist (…) der Tatbestand, dass der Islam sowohl das Recht auf Weltanschauungsfreiheit als auch das Recht auf negative Religionsfreiheit (sanktionsfreier Austritt aus der dem Einzelnen qua Geburt aufgenötigten Religionsgemeinschaft) schroff negiert. Im Koran werden den Glaubensabtrünnigen schwere Strafen im Jenseits angedroht. Letztendlich sind sich alle Rechtsschulen darin einig, dass der Abfall vom islamischen Glauben Verrat an Gott und der islamischen Gemeinschaft bedeutet und mit dem Tod des Abtrünnigen geahndet werden muss. Insofern stellt die gebetsmühlenartig hervorgekehrte, aber zu kurz und oberflächlich gedachte formalistisch-dogmatische Anwendung des europäischen Konzepts der „Religionsfreiheit“ in Bezug auf den Islam eine unhaltbare Paradoxie dar: Religionsfreiheit für die islamischen Feinde der Religionsfreiheit. An dieser gesellschaftspolitisch wesentlichen Stelle muss die kritisch-wissenschaftliche Vernunft im Bündnis mit dem „gesunden Menschenverstand“ der Zivilgesellschaft dem formaljuristischen Dogmatismus Einhalt gebieten.“

http://www.gam-online.de/text-patriarchalischen%20Normenordnung.html

 

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