Interview mit Angela Merkel

Samstag, 3. September 2016

„Über die Frage, wer wie viele Flüchtlinge aufnimmt, müssen wir weiter unablässig reden“, so Kanzlerin Merkel in einem Interview. Europa durchlebe schwierige Prozesse und müsse schrittweise lernen, sich in der Globalisierung zu behaupten. Ein Fortschritt: Die EU-Türkei-Vereinbarung dämme das Schlepperwesen ein.“

„BILD: Frau Bundeskanzlerin, am 4. September 2015 haben Sie die folgenschwere Entscheidung getroffen, mehrere Tausend Flüchtlinge ins Land zu lassen, nachdem Ungarn dem Ansturm nicht mehr gewachsen war. Mit dem Wissen von heute – würden Sie wieder so handeln?

Angela Merkel: Ja, das würde ich. Zu dem Zeitpunkt waren die Ankunftszahlen ja bereits über Monate rasant angestiegen. Schon vor dem 4. September war klar, dass wir es mit einer großen Herausforderung zu tun hatten. An jenem Wochenende ging es dann auch nicht darum, die Grenze für alle zu öffnen, sondern sie für diejenigen nicht zu schließen, die sich in großer humanitärer Not aus Ungarn zu Fuß auf den Weg zu uns gemacht hatten.

BILD: Tatsächlich wurde Ihre Entscheidung von zigtausend Menschen als Einladung verstanden und Ermunterung, sich überhaupt erst auf den Weg zu machen …

Merkel: Nein, denn schon Mitte August hatte der Bundesinnenminister die Prognose abgegeben, dass wir im Jahr 2015 mit 800.000 Flüchtlingen rechnen müssten. Diese Prognose ist dann allerdings in der Tat zum Beispiel in Afghanistan von Schleppern als Bereitschaft Deutschlands, 800.000 Afghanen aufzunehmen, missbraucht und von manchen in der Folge missverstanden worden. Da wurde sichtbar, dass eine eigentlich an Länder und Kommunen hier bei uns gerichtete notwendige Prognose anderswo verdreht werden kann und wie vorsichtig man in einer Welt der globalen Kommunikation mit solchen Informationen umgehen muss.“ (…)

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2016/09/2016-09-03-merkel-bild.html

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