Interview mit Ahmad Mansour

Interview Lisa Nimmervoll  –  9. Oktober 2016,   1665 Postings

Der arabisch-israelische Psychologe über die Generation Allah, falsche Toleranz, linken Rassismus und das Kopftuch als politisches Symbol

Ahmad Mansour wuchs in einem kleinen arabischen Dorf in Israel in einer nicht praktizierenden muslimischen Familie auf. In seiner Schulzeit geriet er unter den Einfluss eines radikalen Imams und wurde selbst beinahe Islamist. Aber nur beinahe, nicht zuletzt das Psychologie-Studium half ihm, religiösem Fundamentalismus und Islamismus zu entkommen.

In seinem Buch „Generation Allah“ erklärt der Psychologe und Islamexperte, „warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen“. Dazu gehöre auch, Probleme nicht zu verharmlosen oder zu leugnen, auch nicht unter dem Deckmantel einer falsch verstandenen „Toleranz“, sagt er im STANDARD-Interview. Muslimische Mädchen müssten selbstverständlich am Schwimmunterricht teilnehmen. Sexuelle Selbstbestimmung gelte als „Grundrecht in dieser Gesellschaft“ für alle – „egal, ob das Mädchen oder der Junge Moslem, Christ oder Atheist ist“. Das Kopftuch hält Mansour für ein „politisches Symbol“, das für „Geschlechtertrennung und Tabuisierung der Sexualität“ stehe. Die „frauenverachtende“ Burka müsse „unbedingt verboten werden“.

STANDARD: Ihr Buch heißt „Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen“ (S. Fischer Verlag, Frankfurt 2015). Was zeichnet diese Generation Allah denn aus? Ahmad Mansour: Generation Allah meint normale Jugendliche, die zu dieser Gesellschaft gehören, aber Werte und Ideologien in sich tragen, die sehr problematisch sind. Sie kommen oft aus patriarchalen Strukturen mit problematischen Geschlechterrollen. Sie verstehen Religion als heiliges Tabu, das man nicht kritisieren darf, und glauben an ein patriarchales Gottesbild, das mit Hölle und Bestrafung arbeitet. Das entsteht nicht von heute auf morgen, das sind Prozesse in der Peergroup und den sozialen Medien und leider auch Teile der Erziehung in manchen Familien. Das ist die Gruppe, aus der Islamisten ihre Anhänger fischen. –

STANDARD: Mit welchen Maßnahmen kann man das verhindern? Mansour: Auch wenn sie sich nicht Islamisten anschließen und mit Gewalt gegen diese Gesellschaft kämpfen, ist es gefährlich, wenn Jugendliche unauffällig leben, aber trotzdem ihren Schwestern nicht erlauben, selbstbestimmt zu leben, wenn sie antisemitische Einstellungen in sich tragen oder behaupten, „die Medien bekämpfen unsere Religion“. Wir müssen diese Generation Allah für unsere Gesellschaft und die Demokratie gewinnen und aufhören, bestimmte Sachen zu verharmlosen, zu relativieren, kleinzuschreiben. STANDARD: Was muss die Politik tun? Mansour: Endlich Verantwortung übernehmen und Probleme benennen. Es ist immer noch nicht klar, ob wir von allen, unabhängig von Herkunft und Religion, einfach erwarten, dass sie ihre Töchter zum Schwimmunterricht schicken, dass sexuelle Selbstbestimmung ein Grundrecht in dieser Gesellschaft ist, egal, ob das Mädchen oder der Junge Muslim, Christ oder Atheist ist. Angesichts der Millionen von Flüchtlingen, die zu uns gekommen sind, wäre jetzt der Zeitpunkt, Werte klar zu kommunizieren. Ohne das sind die Probleme der Zukunft vorprogrammiert.

STANDARD: Sie stoßen sich an einer falschen Toleranz und sagen: „Wir müssen aufhören, bestimmten Bevölkerungsgruppen Rabatte zu geben.“ Was meinen Sie damit?

Mansour: Was mich total stört, ist der Kulturrelativismus derer, die glauben, dass sie die Strukturen der Kirche, des Rechtsextremismus, der AfD usw. zu Recht kritisieren und menschen- bzw. frauenfeindliche Inhalte thematisieren, aber wenn es um Muslime geht unter dem Motto „Toleranz“ die Probleme tabuisieren. Das ist aber keine Toleranz, sondern eine Art von Rassismus. Wer in Kauf nimmt, dass ein muslimisches Mädchen in der Schule weniger lernt als ein nichtmuslimisches, weil es nicht schwimmen darf, ist ein Rassist, der mit der Zukunft dieses Mädchens spielt. Wer meint, die patriarchalen Strukturen in der muslimischen Community dürfen nicht angesprochen werden, weil das Muslime „verletzen“ könnte, nimmt sie nicht ernst als gleichberechtigt. Das ist unter Linken leider weitverbreitet.“ (…) (Hervorhebung GB)

http://derstandard.at/2000045516816/Ahmad-Mansour-Ein-Kind-mit-Kopftuch-ist-Missbrauch

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