Humanitäre Politik ist keine Einwanderungspolitik

Bassam Tibi plädiert für eine gesteuerte Einwanderung. Die Aufnahme in die Sozialsysteme muss an Bedingungen geknüpft sein, sonst ist die innere Sicherheit in Gefahr.

„Die USA, Kanada und Australien sind klassische Einwanderungsländer. Deutschland ist hingegen das prominenteste Zuwanderungsland der Welt; prominent deshalb, weil es statistisch gesehen mehr Migranten als die USA aufnimmt. Allein Hamburg nimmt pro Jahr die Hälfte der Zahl von Migranten auf, die die USA in einem Jahr aufnimmt. Doch warum ist Deutschland kein Einwanderungs-, sondern ein Zuwanderungsland?

Der Unterschied zwischen beiden Bestimmungen besteht im Folgenden: Ein Einwanderungsland ist eines, das „Möchtegern-Migranten“ nach Bedarf aussucht und erst in einem rechtstaatlichen Verfahren unter der Voraussetzung aufnimmt, dass diese Citoyen/ Citizen werden (das ist etwas anders als der Staatsbürger im Deutschen), also in ein Gemeinwesen als Individuen eingegliedert werden.

Im Gegensatz zur obigen Bestimmung eines Einwanderungslandes lässt sich Deutschland als ein Zuwanderungsland einordnen, das Millionen Menschen ohne eine klare Bestimmung in sein Territorium, zum Beispiel im Rahmen einer Willkommenskultur hineinlässt und zwar in einer auffällig naturwüchsigen Weise. Ein Zuwanderungsland lässt nicht nur beliebig Menschen hinein, sondern hat auch darüber hinaus kein Policy-Konzept für den Umgang mit diesen Menschen beziehungsweise dafür, wie sie in das bestehende Gemeinwesen eingegliedert werden können.

Der große Topf der „Asylsuchenden“

Zuwanderungsländer wie Deutschland lassen Fremde in das Territorium hinein, die keine klare Bestimmung haben. Für diese Fremden gibt es sechs Kategorien:

1. Gastarbeiter, 2. Migranten als Einwanderer, 3. Migranten als Zuwanderer, 4. Armutsflüchtlinge, 5. Kriegsflüchtlinge und 6. politisch verfolgte Individuen, die nach Artikel 16 des Grundgesetzes das Recht haben, Asyl zu bekommen. Diese Kategorien sind nicht vertauschbar; ein Asylant zum Beispiel ist kein Migrant. Humanitäre Politik ist keine Einwanderungspolitik. Dieser internationale Standard gilt im Land der Sonderwege – Deutschland – nicht.

Bis auf die erste Kategorie, die Gastarbeiter (etwa Türken, Spanier und Italiener, die nach 1960 nach Deutschland gekommen sind), werden die verbliebenen fünf Kategorien in Deutschland ständig durcheinander gebracht und in den Topf „Asylsuchende“ hineingeworfen. Es ist lächerlich, wie der deutsche Staat kostspielige und aufwendige Verfahren zur Stellung und Überprüfung von Asylanträgen ausführt, die im Resultat wertlos bleiben. Denn ein negatives Ergebnis ändert nichts daran, ob die angenommenen und abgelehnten Asylsuchenden im Lande bleiben dürfen oder nicht. Abgelehnte Asylbewerber (zur Zeit etwa eine halbe Million Menschen) bekommen zunächst Duldungsstatus, der nach wenigen Jahren in ein Daueraufenthaltsrecht mit einem weiteren Recht auf vollen Zugang zu sozialstaatlichen Leistungen verbunden ist. Es stellt sich die zynische Frage: Warum werden dann überhaupt solch aufwendige Asylverfahren organisiert?

Gesinnungs- vs. Verantwortungsethik

Die Diskussion darüber, ob die Flüchtlinge gut oder schlecht für Deutschland seien, wird vorwiegend gesinnungsethisch, nicht verantwortungsethisch geführt. Zur Verantwortungsethik gehören nach dem Soziologen Max Weber drei Qualitäten: 1. Verantwortungsgefühl, 2. Augenmaß, 3. Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit. Dagegen beruhe Gesinnungsethik nach Weber auf der „Romantik des intellektuell Interessanten“, die „irrationale Taten“ hervorruft, deren Urheber die „ethische Irrationalität der Welt nicht ertragen“. Zur Gesinnungsethik gehört auch ein Moralisieren, das die Welt in „Gutes und Böses“ zweiteilt, nach der Logik, dass „aus Gutem nur Gutes, aus Bösem nur Böses“ kommen könne.

Diese Denkweise dominiert offenbar nicht nur das Denken der Kanzlerin, sondern auch jenes von Herfried Münkler und dessen Frau Marina, die einen „Katechismus“ unter dem Titel „Die neuen Deutschen“ als „Apologie auf die Regierung Merkel“ verfasst haben, wie der European schrieb. In ihrem Buch blenden die Münklers den Unterschied zwischen Einwanderung und Zuwanderung komplett aus. Zudem werten sie die Flüchtlinge auf zu „neuen Deutschen“ oder als Gesinnungsethiker der Willkommenskultur zu „neuen Bürgern“, obwohl sie das Land ohne jede rechtliche Bestimmung in der Regel illegal betreten haben.“ (…)

http://cicero.de/berliner-republik/Migration-humanitaere-politik-ist-keine-einwanderungspolitik

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