Die Sicherheitslage ist brandgefährlich

Mit Wolfgang Ischinger sprach das Magazin „Herzkammer“ über Syrien, die Türkei und darüber, welche sicherheitspolitischen Hausaufgaben die EU dringend erledigen muss.

„Herr Ischinger, bei der Sicherheitskonferenz Anfang dieses Jahres haben Sie die sicherheitspolitische Lage als die gefährlichste Phase seit dem Ende des Kalten Krieges bezeichnet. Wie sehen Sie die Entwicklung heute, ein gutes halbes Jahr später?

Nicht besser, sondern eher schlechter – mit immerhin ersten Anzeichen, dass der negative Trend, der gekennzeichnet ist durch einen gegenseitigen totalen Vertrauensverlust in der Weltpolitik, sich vielleicht wieder umkehren könnte, zum Beispiel durch eine zwischenzeitlich erreichte amerikanisch-russische Vereinbarung in der Syrien-Frage, vorausgesetzt, diese Vereinbarung fällt nicht wieder in sich zusammen.

Wie hat sich der Sicherheitsbegriff in den letzten Jahren verändert?

In der Bundesregierung verwendet man schon seit einigen Jahren einen Sicherheitsbegriff, der über militärische und verteidigungspolitische Fragen hinausgeht, den so genannten „erweiterten Sicherheitsbegriff“. Dieser erweiterte Sicherheitsbegriff hat inzwischen auch Eingang in die breitere öffentliche Debatte gefunden: Die Bürger verstehen, dass auch Klimasicherheit, Energieversorgungssicherheit, Cyber-Sicherheit wichtig sind, und zwar nicht nur für Regierungen und die Infrastruktur, sondern auch für den Einzelnen.

Vor den Anschlägen in Europa und in Deutschland war Terror ein Thema, das weit weg war von den Menschen. Wie kann man der Herausforderung Terrorismus begegnen?

Sicherlich nicht nur durch den Einsatz militärischer Mittel. Selbst wenn es gelingen sollte, beispielsweise den Islamischen Staat in Libyen oder in Syrien zu eliminieren, müssen wir davon ausgehen, dass solche Bewegungen hydraartig an anderer Stelle, zum Beispiel in anderen Teilen Afrikas oder im Nahen Osten wieder auftauchen. Wir brauchen einen umfassenden politischen Ansatz, um der Herausforderung Islamismus und Extremismus zu begegnen. Dazu gehört auch die Frage, was Europa tun kann, um zu verhindern, dass eine zunehmende Zahl von Menschen aufgrund von Armut,
Krankheit oder mangelnden Zukunftsperspektiven Zuflucht in radikalen Methoden sucht.

Der Westen muss dafür Sorge tragen, dass zum Beispiel in Afrika echte Wachstumsbedingungen entstehen können. So würden nicht nur Migrationsströme großen Ausmaßes verhindert, sondern auch die Gründe gemindert, warum sich Menschen aus Verzweiflung radikalen Strömungen zuwenden. Das ist sicherlich eine Jahrhundertaufgabe.“ (…)

http://www.theeuropean.de/wolfgang-ischinger/11400-interview-mit-wolfgang-ischinger

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