So besiegte Prinz Eugen die Türken

Als die Türken 1716 gegen Österreich zogen, setzten sie auf zahlenmäßige Überlegenheit. Vor Belgrad zeigte der kaiserliche Feldherr Eugen, was moderne Taktik und Technik dagegen vermochten.

Von Leitender Redakteur Geschichte

(…) „Prinz Eugen hatte im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) an der Seite des britischen Herzogs von Marlborough gekämpft, und auch im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) stand England an der Seite der Kaiserin Maria Theresia. Von daher hatte es aus Londoner Perspektive durchaus seine Richtigkeit, wenn der Festakt zum Aachener Frieden, der diesen Krieg beendet hatte, mit der volkstümlichen Huldigung auf Österreichs größten Feldherrn endete.

Das Lied selbst erklärt, wie ein schmächtiger französischer Adeliger und Sohn einer Geliebten Ludwigs XIV. von Frankreich, den dieser nicht in seinen Dienst hatte nehmen wollen, sich dieses Urteil verdiente: Indem er eine Brücke schlug, die es ihm ermöglichte, Belgrad von den Türken zu erobern. Das war 1717, Österreich gewann die größte Ausdehnung seiner Geschichte und wurde die große Vormacht auf dem Balkan.

Gerade 34 Jahre war es da her, dass die Osmanen kurz davor gestanden hatten, im zweiten Anlauf (nach 1529) die kaiserliche Hauptstadt Wien zu erobern. In der Schlacht am Kahlenberg, die das verhinderte, hatte sich Eugen als junger Oberstleutnant ausgezeichnet. Kurz darauf zog er mit einem eigenen Dragonerregiment in den Großen Türkenkrieg, den er, zum kaiserlichen Oberkommandierenden aufgestiegen, mit seinem Sieg bei Zenta 1697 erfolgreich abschloss. Im Frieden von Karlowitz stieg Österreich in den Rang einer Großmacht auf. Siege gegen die Heere Ludwigs XIV. im Spanischen Erbfolgekrieg folgten.

Nach dessen Ende war Frankreich nicht mehr in der Lage, seinen türkischen Verbündeten zu unterstützen. Dennoch ging der osmanische Großwesir Silahdar Damat Ali Pascha davon aus, dass Österreich ebenfalls zu geschwächt sein würde, um seine Erwerbungen von Karlowitz erfolgreich verteidigen zu können. Türkische Heere marschierten in Ungarn ein und bedrohten die Positionen, die Venedig im Zuge des Großen Türkenkriegs in Griechenland und auf Kreta gemacht hatte.

Unter großen Mühen konnte Kaiser Karl VI. bis 1716 ein Heer von 70.000 Mann aufstellen, dessen Kommando Prinz Eugen übernahm. Die osmanische Armee, die von Süden anrückte, war mehr als doppelt so groß. Seine zahlenmäßige Unterlegenheit suchte der Savoyer einmal mehr mit zwei Stärken auszugleichen. Zum einen legte er größten Wert auf Disziplin. Dafür nahm er seine Offiziere in die Pflicht. Von ihnen forderte er Standhaftigkeit „ohne Geschrei und Ungeduld“. Plündern war bei Strafe verboten, weil es ein Aufweichen der Linie bedeutete. Zum anderen lieferte Eugen ein vorbildliches Beispiel persönlichen Muts. „Der Prinz hat sich ungemein exponiert … und war in der größten Gefahr, von den Türken niedergesäbelt oder gefangen zu werden“, staunte ein Soldat über die Führungskunst seines Feldherrn.

Bei der Festung Peterwardein an der Donau (heute ein Stadtteil von Novi Sad in Serbien) gelang Eugen am 5. August 1716 ein vernichtender Sieg über das osmanische Heer, dessen Reste sich nach Belgrad retteten. Ein Kavallerieangriff unter persönlicher Führung des Prinzen hatte die Entscheidung gebracht, als sein Zentrum in Gefahr stand, aufgerieben zu werden.

Unter den Gefallenen war auch der Großwesir. Um die Scharte auszuwetzen, rüstete sein Nachfolger Chalil Pascha umgehend ein neues Heer aus. Es dauerte allerdings bis in den Sommer 1717 hinein, um die Verluste des Vorjahres einigermaßen auszugleichen. Eugen nutzte die Zeit und marschierte auf Belgrad am Zusammenfluss von Donau und Save. Anders als von den Türken erwartet, wählte der Prinz den schwierigeren Vormarsch über die Donau, die er, vom Feind unbemerkt, mithilfe der Schiffsbrücke überschritt, die später in dem Lied gefeiert wurde. Mitte Juni schloss er die große Festung und ihre 30.000 Verteidiger ein, indem er einen festen Ring um sie legte. Zugleich wurden Befestigungen gegen das osmanische Hauptheer errichtet.

Das erschien im August und schloss seinerseits die Kaiserlichen ein. Die Situation erinnerte an Caesars Lage vor Alesia im Jahr 52 v. Chr., als die Römer von Belagerern zu Belagerten wurden. Mit der Malaria wuchs den Kaiserlichen ein weiterer Feind zu. Doch anders als seinerzeit die Gallier verharrte der Großwesir in seinen Stellungen. Ein Schuss brachte den Kaiserlichen die dringend benötigte Entlastung. Die Kugel aus einem Mörser traf in Belgrad ein Pulvermagazin, dessen Explosion weite Teile der Festung zerstörte.

Da deren Verteidiger mit sich selbst beschäftigt waren, ergriff Eugen die Initiative. Als am frühen Morgen des 16. August dichter Nebel die Sicht behinderte, führte er seine Truppen aus dem Lager und marschierte gegen das Heer Chalils. Schnell konnte der rechte Flügel einen Hügel erobern, von dem aus die österreichische Artillerie das Feuer auf die Türken eröffnen konnte. Zwar brachten Janitscharen und berittene Spahis, die Elitetruppen der Osmanen, den linken Flügel in schwere Bedrängnis. Aber mit taktischem Geschick konnte Eugen seine Reserven heranführen, während sich der Gegner in undiszipliniertem Anrennen erschöpfte. Gegen neun Uhr löste sich das türkische Heer in einer wilden Flucht auf. Zwei Tage später kapitulierte die Besatzung Belgrads.

Es war kein glänzender Sieg, den Prinz Eugen vor Belgrad erfochten hat. Der Universalgelehrte Nicolae Jorga urteilt in seiner großen „Geschichte des Osmanischen Reiches“: „Feste Zuversicht auf Sieg, Geringschätzung des Feindes, die Schnelligkeit des unvermuteten Angriffs, das Ausbleiben der in Belgrad eingeschlossenen Truppen und der Mangel an guter Führung waren die Ursachen der türkischen Niederlage, die aber keineswegs die Vernichtung der osmanischen Kriegsmacht an sich bedeutete.“

Das ist richtig. Andererseits war es aber vor allem der taktischen Führungskunst Eugens zu verdanken, dass der drohenden Niederlage ein unspektakulärer Sieg abgerungen wurde. Die Folgen indes waren außerordentlich. Da die Türken kein kampfkräftiges Heer mehr zur Verfügung hatten, unterschrieben sie 1718 in Passarowitz (heute Požarevac in Serbien) einen Friedensvertrag, der Österreich das Banat, Teile der Walachei, Serbiens mit Belgrad und Bosniens einbrachte, während Venedig sein griechisches Kolonialreich verlor und den Status einer Großmacht.

Als solche hingegen galt von nun an das Habsburgerreich, das durch die Siege von Peterwardein und Belgrad die größte Ausdehnung in Südosteuropa erreichte. Kein Wunder also, dass Prinz Eugen nicht nur von seinem Kaiser mit Ehren überhäuft wurde, sondern auch zum Helden eines Volksliedes wurde.“

http://www.welt.de/geschichte/article157935027/Mit-diesen-Tricks-besiegte-Prinz-Eugen-die-Tuerken.html

 

Tragen Sie sich für den wöchentlichen Medienüberblick - den Freitagsbrief - ein!

Es wird kein Spam geschickt! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.