Orientierungsgrundlagen einer kritisch-emanzipatorischen Ethik

Ein ausgewählter Überblick  –  von Hartmut Krauss

(..) „Im Zuge des Übergangs von der bipolaren Weltordnung des Ost-West-Gegensatzes (Kapitalismus vs. Realsozialismus) zur multipolaren Weltunordnung der „postrealsozialistischen Weltgesellschaft“ kam es zur nachhaltigen Erschütterung bis dato grundlegender geistig-moralischer und weltanschaulich-politischer Orientierungs- und Überzeugungssysteme. Im Rahmen der aktuellen Finanz- und Schuldenkrisen des posttriumphalistischen Kapitalismus wurde diese Desorientierung noch einmal nachhaltig verstärkt.(2)
Im Zentrum dieses Umbruchs steht vor allem die Herausbildung komplexer Verflechtungen zwischen nunmehr globalisierter kapitalistischer Ökonomie und nichtwestlichen Herrschaftskulturen, die keine dem neuzeitlich-europäischen Aufklärungsprozess vergleichbare endogene Entwicklung mit entsprechend durchsetzungsfähigen Wertorientierungen und Institutionalisierungen durchlaufen haben. Entsprechend fehlt dort die Dialektik von kapitalistischer Modernität und kultureller Moderne (Ensemble posttraditionaler Wertorientierungen und Normen).
Gleichzeitig ist eine beschleunigte aufklärungsfeindliche Negation der Wertegrundlagen der kulturellen Moderne seitens der westlichen Herrschaftselite festzustellen, die im Gewand des Kulturrelativismus und Postmodernismus als den neu-reaktionären Leitideologien globaler Profitorientierung daherkommt.
Zudem ist ein eklatanter Gegensatz zwischen dem Rückgang religiöser Traditionen innerhalb der schrumpfenden europäischen Gesellschaften einerseits und der ungebrochenen bzw. zum Teil fundamentalistisch verstärkten religiösen Bindung innerhalb der bevölkerungsexpansiven nichtwestlichen Herrschaftskulturen zu verzeichnen. Dieser Antagonismus zeigt sich auch im Rahmen der zunehmend postdemokratisch demolierten europäischen Gesellschaften, und zwar zwischen der vorherrschenden säkular-liberalen Grundorientierung der einheimischen Bevölkerungsmehrheit einerseits und der vormodern-religiösen Ausrichtung zahlreicher Immigranten insbesondere aus islamischen Ländern andererseits – ein normativer Gegensatz, der massenmedial auf vielfältige Weise ideologisch-semantisch fehlinterpretiert, verfälscht und entstellt wird.

In neuer Dynamik prallen damit drei widersprechende Formationen von Wertorientierungen aufeinander:
1. ein profitlogischer Utilitarismus als Ausdruck der instrumentellen Vernunft,
2. eine Reaktivierung vormodern-religiöser Moralsysteme, und
3. eine Suchbewegung nach tragfähigen Konzepten einer kritisch-humanistischen bzw. emanzipatorischen Vernunft.

Vor diesem Hintergrund ist es nun im Interesse der Rekonstruktion einer gesellschaftspolitischen Fortschrittsbewegung, die den aktuellen Entwicklungsanforderungen gerecht werden will, dringend erforderlich, zunächst die Grundlagen und Inhalte einer herrschaftskritisch-emanzipatorischen Ethik neu freizulegen und zu justieren, um sodann – darauf gestützt – ein politisches Programm auszuarbeiten.“ (…)

http://www.gam-online.de/text-emanzip-human.html#wiederum

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