Hinz und Kunz

Fehlende Studien- und Berufsabschlüsse gelten in der Politik als Makel – es sei denn, man weiß sie geschickt umzudeuten. Wenn der wilde Lebenslauf zur Heldengeschichte wird.

04.08.2016, von Eckart Lohse und Markus Wehner, Berlin

(…) „Mangel an Disziplin, Fleiß oder Intelligenz

Der Fall Hinz wirft die Frage auf, warum Abgeordnete glauben, es nötig zu haben, ihre Lebensläufe zu fälschen und Qualifikationen wie Abitur oder Hochschulabschluss zu erfinden. Schließlich gibt es in allen Parteien Beispiele für steile Karrieren ohne diese Bildungsabschlüsse. Den Lebenslauf umzuschreiben oder zumindest etwas zu schönen, ist allerdings bei Politikern nichts Ungewöhnliches. Das gilt gerade dann, wenn es um Studien- und Berufsabschlüsse geht. Ein abgebrochenes Studium und damit in Verbindung meist ein fehlender Beruf werden als Makel angesehen. Das gilt für die Öffentlichkeit, aber auch in den Parteien selbst. Im Wettbewerb in der eigenen Partei kann dieses Manko von den Konkurrenten eingesetzt werden, um einen Vorteil zu erlangen.

Eine beeindruckende Präsentation ist schließlich wichtig, wenn es um die Aufstellung eines Direktkandidaten für den Wahlkreis oder einen aussichtsreichen Platz auf der Parteiliste geht. In der Öffentlichkeit gilt ein Politiker, der ein Studium abgebrochen hat und ohne bürgerlichen Beruf dasteht, schnell als einer, dem es an Disziplin, Fleiß oder Intelligenz mangelt. Betroffene Politiker berichten etwa von Hass-E-Mails, die sie erhalten hätten, als ihr fehlender Studienabschluss bekannt wurde. Deshalb ist die Neigung groß, einen solchen Makel im Lebenslauf zu bemänteln. So führen betroffene Abgeordnete im Bundestagshandbuch oder auf der Homepage zwar gern auf, dass sie studiert haben. Das Fehlen des Abschlusses aber verschweigen sie.

„Studium der Politik- und Rechtswissenschaften an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen“ gibt etwa die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz im Bundestagshandbuch an. Abgeschlossen hat sie das Studium nicht, was sie nicht erwähnt. Dafür weist sie darauf hin, dass sie von 1993 bis 1998 „Mitarbeiterin“ am EU-Projekt „European Studies Program“ (ESP) der Universität war. Da sie aber keinen Abschluss hatte, war sie nur studentische Mitarbeiterin.“ (…)

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/die-geschoenten-lebenslaeufe-der-politiker-14372332.html

Kommentar GB:

Die Anreize sind hoch, die Kontrollen sind gering, das Risiko – bisher jedenfalls – ebenso. Also wird zum eigenen Vorteil getrickst, Hochstapelei betrieben und betrogen. Es könnte durchaus sein, dass der Fall Hinz nicht etwa nur ein individuelles Fehlverhalten ist, sondern charakteristisches Merkmal hierfür anfälliger Milieus, in Parlamenten ebenso wie an Hochschulen. Dieser Hypothese wäre nun weiter nachzugehen, um sie zu überprüfen. Hierzu:

https://frankfurter-erklaerung.de/2016/08/frauenquoten-verhinzung-der-spd-und-der-anderen-sowieso/

 

 

 

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