Heiko Maas: Umbau Vergewaltigungsparagraph und Strafrecht

Von Hartmut Danisch
Ein Leser weist mich gerade darauf hin,
dass laut dieser Webseite mit Verweis auf SPIEGEL die schon angekündigte Änderung des Vergewaltigungsparagraphen im Strafgesetzbuch ansteht.
Darin liegt eine fundamentale Änderung des Strafrechts. Bisher nämlich geht das Strafrecht bei den Tatbeständen wesentlich von der Täterperspektive aus (wollte der oder die Täterin das, was hat sie dabei gedacht und beabsichtigt, und so weiter). Eine der wenigen Ausnahmen ist Mord, denn da gibt es ein Mordmerkmal der Heimtücke, bei dem der Täter bewusst zum Töten ausnutzt, dass das Opfer gerade arg- und wehrlos ist. Auch wenn da auf eine Opfersituation abgehoben wird, muss trotzdem immer der Täterwille, dies bewusst auszunutzen, hinzukommen und nachgewiesen werden. Auch hier wird also der Täter für eigenes Handeln bestraft und für das, was in seinem Einflussbereich steht.
Das ist hier jetzt nicht mehr so. Bei Vergewaltigung sollen neue Tatbestände hinzukommen, die

  • rein aus der Sicht des Opfers vorliegen und dem »Täter« möglicherweise gar nicht ersichtlich sind,
  • die sich jeder objektiven oder kriminalistischen Feststellung entziehen („Schockstarre”), weder verifizierbar noch falsifizierbar sind und damit willkürlich behauptet werden können,
  • die man willkürlich auch hinterher noch behaupten kann, also auch einer nachträglichen, retrospektiven Neubewertung entspringen können.

Es kann also gut sein, dass ein „Täter” sich einer Straftat gar nicht bewusst ist und doch bestraft wird.
Darin liegt eine fundamentale Änderung des Strafrechtssystems. Denn bisher galt, dass man keine Straftat begeht, wenn man nicht weiß, dass man eine begeht. Der Volksmund redet zwar – wie so oft dumm – daher, dass „Unwissenheit nicht vor Strafe schützt”, aber wie so oft sind solche Sprüche einfach falsch. Denn nur der Verbotsirrtum (Täter wusste, was er tut, und wusste nur nicht, dass es verboten ist) schützt nicht vor Strafe. Der Tatbestandsirrtum (Täter wusste nicht, was er mit seinem Handeln tut, weil er in irgendeinem sachlichen Irrtum handelte) schützt bisher sehr wohl vor Strafe, denn strafbar sind in der Regel nur Vorsatz und bedingter Vorsatz (Täter nimmt billigend in Kauf, d.h. er will es zwar nicht, aber weiß es und nimmt es hin), in manchen Bereichen auch grobe Fahrlässigkeit.
Hier nun aber kommt es auf den Tatbestandsirrtum gar nicht mehr an, weil nicht mehr vorausgesetzt wird, dass der Täter überhaupt wissentlich und bewusst Täter ist.
Darin liegt der ganz wesentliche Unterschied: Bisher brauchte man einen Täter, um ihn zu bestrafen. Jetzt reicht ein »Opfer«, genauer gesagt, jemand, der sich zu einem Opfer erklärt, um jemand anderen zu bestrafen. Der zu Bestrafende kommt in der ganzen Geschichte eigentlich kaum noch vor, es ist ein reines Opfer-Justiz-Verhältnis.
Damit gibt es natürlich auch keine Unschuldsvermutung mehr, weil eine Schuld erst gar nicht mehr vorausgesetzt wird.
Es gibt auch keine Beweispflicht der Anklage mehr, weil die Anklage ein schuldhaftes Verhalten und objektive Tatmerkmale nicht mehr braucht, nicht mehr nachweisen muss. Inzwischen muss nun der Beschuldigte sein Unschuld beweisen, indem er beweist, dass beim Opfer die Tatbestände nicht vorliegen, was wegen deren Subjektivität einem Beweis nicht mehr zugänglich ist. Es gibt faktisch also keine Gegenwehr mehr gegen den Vergewaltigungsvorwurf.
Ein deutliches Beispiel für eine Amerikanisierung deutschen Rechts. Denn im amerikanischen Strafsystem steht im Vordergrund, dass für (behauptet oder tatsächlich) erlittenes Leid zu dessen Linderung (auch Rache genannt) einfach irgendeiner verurteilt und bestraft wird. Da geht’s kaum drum, ob einer wirklich Täter war, sondern für jede Tat einfach den zu bestrafen, der die schlechteste Verteidigung hat.
Zum Artikel:
http://www.danisch.de/blog/2015/04/03/heiko-maas-umbau-vergewaltigungsparagraph-und-strafrecht/
und die Kritik
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht-schutzluecke

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