“ „So lässt sich keine ehrliche Auseinandersetzung führen“:
SPD-Justizminister Maas kritisiert im SPIEGEL seinen Parteikollegen Edathy scharf. Dessen Aufarbeitung der Kinderporno-Affäre sei mangelhaft.“
Auszug:
„Bundesjustizminister Heiko Maas hat im Interview mit dem SPIEGEL scharfe Kritik an seinem SPD-Parteikollegen Sebastian Edathy geübt. Dessen Auftritt in der Bundespressekonferenz sei ein „großes Schmierentheater“ gewesen. Bei dem Auftritt hatte Edathy einem Kollegen vorgeworfen, ihn vor Ermittlungen wegen Kinderpornografie gewarnt zu haben. (Lesen Sie das ganze Interview hier im aktuellen SPIEGEL).
Edathy beteuert nach wie vor, nur legale Nacktfotos von Kindern bestellt zu haben. Maas sieht ihn trotzdem in der moralischen Verantwortung:
„Vorzuwerfen ist ihm, dass er diese Bilder gekauft hat und trotzdem noch immer kein einziges Wort des Bedauerns für die missbrauchten Kinder findet.“ Die seien die wahren Opfer. Anbieter von Kinderpornografie, wie Edathy sie genutzt habe, „missbrauchen in der Regel viele der Kinder im gleichen Shooting für harte Pornografie“, sagte Maas.“
(Hervorhebung GB)
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/kinderporno-affaere-maas-kritisiert-auftritt-von-edathy-a-1010452.html
Kommentar GB:
Ach, Herr Maas…
1. Strafbar macht sich nur, wer gegen eine Strafnorm verstößt. Hat Herr Edathy das getan? Er bestreitet das, und es ist m. E. wenig wahrscheinlich, dass das anhängige Verfahren zu einer strafrechtlichen Verurteilung führen wird.
2. Gleichwohl mag das Handeln von Herrn Edathy moralisch bedenklich oder verwerflich sein. Man kann das so sehen. Allerdings ist die Justiz für das Recht zuständig, nicht aber für die Moral, denn die ist Sache der Moralphilosophie.
Außerdem besteht ein Spannungsverhältnis zwischen einem hier denkbaren negativen moralischen Urteil und der auch von der SPD und von Herrn Maas mitgetragenen Jubel über die angeblichen Segnungen der sogenannten Diversität, denn der Fall Edathty ist ein Teil eben dieser Diversität. Ob Herr Maas das schon bemerkt hat? Ich bezweifle es. Es wirkt geradezu paradox, wenn derselbe Herr Maas in dieser Sache noch vor einem Urteil gesetzgeberisch initiativ wird. Das wirkt wie eine unreflektierte und hysterische Überreaktion.
Richtiger wäre es, die Diversitätspolitik als so frag – würdig zu reflektieren, wie sie es eben ist. Man schaue sich diesbezüglich nur einmal die Schulpolitik in Baden-Württemberg und in Niedersachsen an, in der es faktisch um eine Förderung der Homosexualität schon bei Kindern geht. Hier soll also staatlich gefördert werden, was von denselben Leuten staatsanwaltlich verfolgt wird. Ein hübscher Widerspruch.
3. Dass Herr Edathy sich angesichts eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses und eines anhängigen Gerichtsverfahrens defensiv verhält, und dass er sich jetzt nicht auch noch selbst belastet, schon gar nicht in einer Pressekonferenz, das darf niemanden verwundern. Wer das erwartet, der heuchelt.
4. Es gilt die Unschuldsvermutung. Sie gilt allgemein, und das heißt, sie gilt auch für Sebastian Edathy. Bis zu einer eventuellen Verurteilung gilt er als unschuldig. Wenn er freigesprochen werden sollte, dann wird er freigesprochen – und nicht irgendwie trotzdem halb schuldig – sein. So etwas gibt es nicht, außer in der Infamie der Presse. Freispruch ist Freispruch. Jörg Kachelmann pocht in seinem Fall völlig zu Recht darauf.
5. Würde rechtspolitisch die Unschuldvermutung aufgegeben, dann wäre die Gesellschaft wieder in der Epoche der inquisitorischen Prozesse angelangt, in der die Beschuldigung die Anklage und diese bereits den Schuldspruch implizierte; von feministischer Seite würde das von manchen Teilnehmerinnen an der Kampagne gegen die Unschuldsvermutung bei angeblichen Vergewaltigungen erkennbar gern gesehen. Eine Verteidigung gegen eine inquisitorische Anklage gab es prinzipiell nicht, so wenig wie einen Freispruch, dafür um so mehr Justizmorde. Auch die Art und Weise des öffentlichen Umgangs mit Herrn Edathy und seinen tatsächlichen oder vermeintlichen Verfehlungen kann zwanglos als eine ´moderne´Art von öffentlicher politischer Hinrichtung mittels Vorverurteilung gedeutet werden. Und völlig unabhängig von der Person des Herrn Edathy und seinen angeblichen Verfehlungen ist das, moralphilosophisch und allein und für sich selbst betrachtet, eine politisch-moralische Schande. Die angewendete Methode kann, nebenbei bemerkt, mühelos verallgemeinert werden: siehe hierzu die Vorgänge um den Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Eine Abschaffung der Unschuldvermutung wäre grundgesetzwidrig, weil damit zugleich der Rechtsstaat abgeschafft wäre, den das Grundgesetz aber garantiert. Wer die Unschuldvermutung angreift, der handelt also in dem Sinne verfassungswidrig, dass die Ziele dieses Handelns nicht mehr mit der geltenden Verfassung in Einklang zu bringen sind. Im Fall Wulff immerhin hat sich erfreulicherweise der Rechtsstaat behauptet.
5. Es ist eine Form von Diffamierung und von Bösartigkeit, wenn Prozesse nicht abgewartet werden, und wenn lynchartig öffentlich vorverurteilt wird, und zwar von Leuten, die keine Urteilskompetenz haben. Das dokumentiert einen Verfall der politischen Kultur. Hier wäre öffentliche Zurückhaltung angebracht, die eine persönliche Einschätzung und Beurteilung der Sachlage keineswegs ausschließt.
6. Es gibt Gründe anzunehmen, dass Sebastian Edathy politisch ausgeschaltet werden sollte, und dass er selbst zu seinem größten Schaden den dafür geeigneten Einhakpunkt und Anlaß geliefert hat. Und dieser Aspekt ist wahrscheinlich der bedenklichste von allen.