Die Postmoderne als Zeitgeist

18.05.2024

 

Michael Mansion

Die Postmoderne als Zeitgeist

 

Mit dem Begriff Postmoderne zu arbeiten bedeutet, sich einer im Sinne von Exaktheit schwer zu umreißenden Sammelbezeichnung zu bedienen, die in ihr einen neuen Zeitgeist ausfindig macht.

Indem das rationale Denken der technischen Moderne durch den Anspruch einer „neuen Offenheit und Vielfalt“ in Frage gestellt wird, ergeben sich Neu- und Umdeutungen bisher für sicher gehaltener Begrifflichkeiten zugunsten einer Strategie der Aufweichung klassischer Verständniskategorien mit dem Ziel, diese in Frage zu stellen.

Die Postmoderne erscheint so für sich selbst als fortschrittsorientiert mit einem Bekenntnis zu vermeintlicher Ideologiefreiheit als Ausdruck von Offenheit bei gleichzeitig kritischer Distanz gegenüber dem Prinzip einer ausschließlich wachstumsorientiert gedeuteten  industriellen Moderne; dies jedoch nicht im Sinne klassischer (etwa marxistisch formierter) Kapitalismuskritik, sondern im Umfeld einer „grünen Agenda“, die sich nicht als „Anti-Moderne“ versteht.

Da diese als Strategie formuliert wird, nimmt sie dennoch notwendigerweise eine ideologische Gestalt an, die etwa als Klima,-Ressourcen,-Flüchtlings-, Arten-, Minderheiten- und in letzter Konsequenz als Demokratierettung mit Ge- und Verbotsstrategien in Szene gesetzt werden muss, um eine Wirksamkeit entfalten zu können.

In gebotener Kurzform ist dies der wesentliche Ausdruck eines Zeitgeistes, der als Postmodernismus verstanden werden kann.

Die von ihm weitgehend bestimmte politische Kultur trägt Züge einer neuen Empfindsamkeit, die ihren vorrangigen Ausdruck im Umfeld der sogenannten Geschlechtergerechtigkeit, den damit in Zusammenhang stehenden Gender-Studien, dem Umschreiben vermeintlich inkriminierter Textpassagen, dem (weißen) Antikolonialismus, der Me Too-Debatte und dem „Haltungsjournalismus“ finden.

Ein nachzuholendes, gesellschaftlich noch nicht abgegoltenes und einem wiederkehrenden Ungeist zugeschriebenes Moral-Defizit schwebt wie ein Schlechtwettergebiet über nahezu allen Ebenen des aktuellen gesellschaftlichen Seins und ergießt sich als Gewitterschauer je nach Bedarf über alle gesellschaftlichen Subjekte, die als „Feinde von Demokratie und Menschlichkeit“ ausfindig gemacht werden.

Bemerkenswert ist dabei die Erbarmungslosigkeit, mit der eine von den Trägern der Postdemokratie nahezu komplett in Dienst gestellte Medienlandschaft über die Abweichler herzieht und dabei auch vor offensichtlichen Falschbehauptungen nicht zurückschreckt.

Seinen bislang bemerkenswertesten Ausdruck findet der politische Postmodernismus zumindest in Deutschland im Projekt  Demokratierettung“ als logischer Ergänzung des „Kampfes gegen rechts“. Es handelt sich um einen bislang einmaligen Vorgang, der, ausgelöst durch die amtierende politische Klasse, in offener Konfrontation gegenüber dem politischen Gegner, dessen Einschränkung und
Einhegung man fordert, um damit zugleich die vermeintlich bedrohte Demokratie retten zu wollen. Da Tausende dieser Aufforderung gefolgt sind, muss davon ausgegangen werden, dass die inkriminierte Opposition als quasifaschistische Kraft gesehen wird, der man sich berechtigt entgegenstellt.

An diesem Punkt wäre zunächst wissenschaftlich zu klären, ob ein solcher Verdacht berechtigt ist und welche Fakten hierfür zu benennen sind. Die Faschismus-Forschung liefert hier ausreichendes Material.

Es müsste geklärt werden, mit welcher Form von politischem Bewusstsein wir es zu tun haben und welche Rolle dabei der politischen Bildung zukommt. Der Begriff des/ eines kritischen Bewusstseins im Umfeld demokratischer Legitimation mit Bezug auf
Art. 5 GG kann hier zum Ausgangspunkt bestimmt werden.

Zu klären wäre auch, in wie weit es Ausdruck des Postmodernismus ist, eine Situation herzustellen oder zu begünstigen, wo große Teile der Bevölkerung, deren hoch technologisierte Gesellschaft den Wohlstand garantiert, einer politischen Klasse von fachfremden und bisweilen ahnungslosen Vertretern kritiklos folgen. Daran knüpft sich die Frage, inwieweit mediale Präsenz und politisches Bewusstsein miteinander
korrespondieren und korrumpieren.

Der Widerspruch postdemokratischer „Offenheiten“ steht in einem besonderen Verhältnis zu einer sich umfänglich manifestierenden Verbotskultur bis in die individuelle Privatsphäre mit dem Anspruch auf nicht mehr zu hinterfragende Richtigkeit, was einen Antagonismus beschreibt. Dabei wird die Gestalt postdemokratischer Zustände als Ausdruck des Antifaktischen sichtbar, mit
dem „Sonderwahrheiten“ verbreitet werden. Diese stehen in einem klaren Gegensatz zu einer wirklichkeits- und faktenbezogenen Moderne, deren historisch aufklärerische Substanz sie leugnen und einer Beliebigkeit überantworten, die sie als „Cancel-Culture“ feiern.

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