Inhaltsabstrakte „Bestandserhaltungsmigration“ als Konzept der sozioökonomischen und soziokulturellen Verwüstung Europas

Hartmut Krauss

„(…) Angesichts des demografischen Widerspruchs zwischen westlich-spätmodernen und nichtwestlich-vormodernen Gesellschaften in Afrika, Nahost und Asien hat (…) die Abteilung Bevölkerungsfragen der Vereinten Nationen unter dem Leitwort „Bestandserhaltungsmigration“ eine Auslagerung der Überbevölkerung von den vormodern-rückständigen Ländern Asiens und Afrikas in das schrumpfvergreisende Europa als zentrale Strategie empfohlen. Dabei bezieht sich der Begriff „Bestandserhaltungsmigration“ „auf die Zuwanderung aus dem Ausland, die benötigt wird, um den Bevölkerungsrückgang, das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung sowie die allgemeine Überalterung der Bevölkerung auszugleichen.“12 In diesem Kontext wurden für eine Reihe von Ländern, deren Fruchtbarkeitsziffern allesamt unter dem Bestandserhaltungsniveau liegen, die Höhe der zur Bestandserhaltung erforderlichen Zuwanderung errechnet und die möglichen Auswirkungen dieser Zuwanderung auf den Umfang und die Altersstruktur der Bevölkerung untersucht.“13 Im Szenario IV, das darauf abzielt, die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) konstant zu halten, läge demnach in der Perspektive 2000-2050 die Gesamtzahl der Einwanderer nach Deutschland bei 24 Millionen (bzw. 487.00 pro Jahr).

Bereits an dieser Stelle ist hervorzuheben, worauf diese „Empfehlung“ nicht abzielt und was als strategische Alternative von vornherein vollständig ausgeschlossen wird, nämlich eine Doppelorientierung auf A. eine umfassende Modernisierungs-, Säkularisierungs- und Demokratisierungsrevolution für die vormodern-bevölkerungsexplosiven Länder (Überwindung der dortigen religiös-ideologisch legitimierten Diktaturen und Autokratien) und B. eine Überwindung der neoliberalen, die Arbeitsverhältnisse deregulierenden und somit prekarisierenden Kapitaldominanz in den westlich-spätmodernen Gesellschaften. Genau gegen diese Doppelorientierung (gegen „McWorld“ und „Dschihad“14 bzw. gegen den Kapital- und Religionsfetisch) richtet sich aus naheliegenden Gründen der herrschaftsideologische „Modernisierungsskeptizismus“ der globalkapitalistischen Institutionen als Instanzen, die immer auch der Verflechtung von westlichen und nichtwestlichen (islamischen) Herrschaftssicherungs- und Profitinteressen dienen und diese widerspiegeln. (…)

Während in den Dokumenten der Vereinten Nationen die inhaltliche (qualitative) Zusammensetzung der empfohlenen quantitativen „Bestandserhaltungsmigration“ völlig ausgeblendet bleibt, wird von einschlägigen Repräsentanten des globalkapitalistischen Herrschaftskartells ganz explizit und bewusst die Zerstörung der nationalstaatlich ausdifferenzierten und modifizierten kulturellen Identität Europas eingefordert und beschworen. Ein ideologischer Einpeitscher in dieser Hinsicht war zum Beispiel der irische UN-Sonderberichterstatter Peter Sutherland, eine perfekte Inkarnation der Synthese aus globalkapitalistischen und politischen Herrschaftsfunktionen. (Um nur einige seiner Ämter aufzuzählen: EU-Kommissar für Wettbewerb 1985-1989; Aufsichtsratsvorsitzender der Investmentbank Goldman Sachs 1995-2015; seit 2006 Berater der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls; letzter GATT-Generaldirektor und erster Generaldirektor der Welthandelsorganisation. Unter anderem ist er Mitglied der Trilateralen Kommission, des European Round Table und der Bilderberg-Konferenz.)22 Das, was rechte Kreise fälschlicherweise als „linksgrünversifft“ halluzinieren und damit herrschaftsstabilisierend vernebeln, wird de facto in authentischer Form von globalkapitalistischen Ideologen und Akteuren wie Sutherland und Co repräsentiert. So empfiehlt Sutherland die Auflösung bzw. Zerstörung nationalstaatlicher Souveränität, die auf soziokulturell gewachsenen Prinzipien und wertmäßigen Konsensgrundlagen beruhen, zugunsten multikulturell-heterogener Mischgesellschaften: „‚[D]ie Europäische Union sollte […] ihr Bestes tun,‘ um jedes ‚Gefühl von unserer Gleichartigkeit und Unterschiedlichkeit gegenüber anderen zu unterminieren.‘“ „Eine alternde oder zurückgehende einheimische Bevölkerung in Ländern wie Deutschland oder der südlichen EU sei das ‚Schlüsselargument – für die Entwicklung von multikulturellen Staaten‘.“23 Der zukünftige Wohlstand vieler europäischer Staaten, so die imperative Behauptung Sutherlands, hänge davon ab, dass sie multikulturell werden24. Dass der unregulierte Massenzustrom von kulturell-normativ entgegengesetzten Zuwanderern und deren multikulturelle Zusammenpferchung in urbanen Ballungsgebieten gesamtgesellschaftlich destruktive und regressive Folgen hat, ficht Charaktermasken des neoliberalen Spätkapitalismus wie Sutherland nicht an: „Migration sei ein ‚entscheidender Motor für das Wirtschaftswachstum‘ in einigen EU-Nationen, ‚so schwierig es auch sein kann, dies den Bürgern jener Staaten zu erklären.‘“25 Für billige Arbeitskräfte, den Unterhalt eines migrantischen Subproletariats als Reservearmee sowie den Import von staatlich subventionierten Konsumenten zwecks Stabilisierung der Binnenkonjunktur und Auslastung der Asylindustrie sind die Lobbyisten des globalen Kapitals durchaus bereit zur sozialen Spaltung der europäischen Gesellschaften. Dabei schrecken globalkapitalistische Interessenvertreter wie Sutherland auch vor gravierenden und gezielten Falschbehauptungen nicht zurück: „Migranten haben niedrigere Arbeitslosenzahlen. Sie machen eher positive Steuerbeiträge, als dass sie eine Bürde für die nationalen Haushalte wären. Sie haben ein höheres Innovationsniveau und haben einen größeren Appetit nach Ausbildung.“26 Tatsächlich ist mit Blick auf Deutschland genau das Gegenteil der Fall. (Vgl. Krauss 2017.) Das legitime Bestreben der europäischen Mehrheitsgesellschaften, ihren erreichten säkular-demokratischen und freiheitlich-lebenskulturellen Zivilisationsstandard gegenüber vormodern-rückständiger, als „Multikulturalismus“ verbrämter Migrationsregression zu verteidigen, wird von Sutherland folgendermaßen verhöhnt: Jeder, „der daherkommt und mir sagt, dass ich dazu entschlossen wäre, die Homogenität der Völker zu zerstören, hat verdammt nochmal absolut recht! (‚dead bloody right‘). Genau das habe ich vor!“27

Zu guter Letzt wird der profitorientierte Import einer rückständigen Masse von Immigranten nicht nur als Modernisierungssachzwang ausgegeben, sondern zugleich heuchlerisch und korrumpierend übertüncht: Die Ablehnung umfassenderer Globalisierung sei „moralisch unhaltbar“.28

Auch andere politische Funktionäre des EU-Konstrukts wie der niederländische Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, propagieren offen die Vermischung unterschiedlicher, im Falle der muslimischen Massenzuwanderung: inkompatibler Kulturen mit all ihren Folgen, wobei sie als abgrenzendes Alibi für ihr Ansinnen den Popanz ethnisch absolut homogener Kulturen an die Wand malen, den in dieser Form kaum jemand vertritt. „‚Europäische Kultur und europäisches Erbe‘, so Timmermans, ‚seien lediglich soziale Konstrukte und jeder, der etwas anderes behaupte, sei engstirnig‘, sagte der europäische Politiker in einer Rede beim EU Fundamental Rights Colloquium in 2015“. „Timmermans sprach sich dafür aus, dass in keinem Land und selbst in ‚den entferntesten Plätzen des Planeten‘ homogene Gesellschaften bestehen bleiben. Die Kulturen sollten weltweit vermischt werden. Um dieses Ziel möglichst bald zu erreichen forderte er die Mitglieder des EU-Parlaments dazu auf ihre Anstrengungen zu intensivieren.“29

Um das Ziel der multikulturalistischen Auflösung europäischer Gesellschaften im Interesse globalkapitalistischer Ambitionen durchzusetzen, wird jede Form nationalstaatlicher Zuwanderungskontrolle und -begrenzung als „Abschottung“ diffamiert. So forderte etwa der ehemalige Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso in einer Ansprache vor der International Bar Association (IBA) in Wien: „Man sollte den einzelnen Nationalstaaten die Einwanderungspolitik aus den Händen nehmen! Internationale Migration sollte der gleichen Art von Regeln unterworfen sein, wie z.B. Luftverschmutzung!“30 Wie abenteuerlich verfehlt diese selbstzerstörerische Ausrichtung ist, erhellt als Kontrast eine Interviewaussage des kuwaitischen Funktionärs Fahad al-Shalami zur Frage, warum die Golfstaaten noch nicht einmal syrische Flüchtlinge aufnehmen: „Kuwait und die Golfstaaten sind sehr teuer und deshalb für Flüchtlinge nicht angemessen. (…) Und letztlich kann man Menschen, die aus einer anderen Atmosphäre und von einem anderen Ort kommen, nicht akzeptieren. Diese Leute haben psychische Probleme, sind traumatisiert. Deshalb könne man sie nicht in die Golfstaaten versetzen“31.

Weithin bekannt ist auch die Aussage des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy am 17. Dezember 2008 in Palaiseau zu führenden EU-Politikern als Vorsitzender des Europäischen Rates: „Was also ist das Ziel? Das Ziel ist die Rassenvermischung! Die Herausforderung der Vermischung der verschiedenen Nationen ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Es ist keine Wahl, es ist eine Verpflichtung. Es ist zwingend. Wir können nicht anders, wir riskieren sonst Konfrontationen mit sehr großen Problemen. Deshalb müssen wir uns wandeln, und werden uns wandeln. Wir werden uns alle zur selben Zeit verändern. Unternehmen, Regierung, Bildung, politische Parteien und wir werden uns diesem Ziel verpflichten. Wenn das nicht vom Volk freiwillig getan wird, dann werden wir staatliche zwingende Maßnahmen anwenden!“32

Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr verwunderlich, sondern erklärbar, dass sowohl die Entscheidungsgremien der EU als auch die deutsche Regierungspolitik angesichts der nach Europa gelenkten Migrationsströme folgende durch und durch verfehlte Ausrichtung aufweisen:

  1. Der zentrale Aspekt besteht darin, das Gesamtphänomen der Flüchtlingsproblematik und der entstandenen Migrationsströme als europäisches bzw. deutsches Problem zu behandeln, anstatt es als außereuropäisch entstandenes und globalpolitisch zu lösendes Problem anzugehen und zu bearbeiten. So hat es die EU aufgrund der Dogmen der „Bestandserhaltungsmigration“ sowie der von ihr gezielt betriebenen Politik der Neuansiedlung (Resettlement) eines Teils der Überbevölkerung aus den afrikanischen und islamischen Krisenregionen bewusst vermieden, a) auf eine globale Aufteilung und ausgewogene Steuerung der Migrationsströme auf alle Weltregionen hinzuwirken und so die einseitige und überlastende Bewegung nach Europa zu beenden, b) eine bessere Ausstattung und Versorgung von Aufnahmelagern in den Anrainerstaaten der Krisenregion zu erreichen und c) eine internationale Koordination und Effektivierung der Schleuserbekämpfung zu vereinbaren.
  2. Aus der Perspektive der postdemokratisch genötigten Bevölkerung Europas ist es absolut rational und moralisch absolut unerträglich, dass Kriegsflüchtlinge und andere als „Flüchtlinge“ getarnte illegale Immigranten aus islamischen Ländern verstärkt nach Europa gelangen sollen, während andere Weltregionen, darunter islamische Kerngebiete, eine „No-way“-Politik betreiben.

So ist es zum Beispiel absolut inakzeptabel, dass die angebliche „Festung Europa“, die in Wahrheit aber gar nicht über sichere Außengrenzen verfügt, mit sich verstärkenden Flüchtlingsströmen konfrontiert wird und überdies als alleiniger Seenotretter fungieren soll, während gleichzeitig die reichen arabischen Ölstaaten wie Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain sich systematisch abschotten und die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, obwohl diese in vielen Fällen die gleiche Sprache sprechen und der gleichen religiösen Weltanschauung anhängen, also in hohem Maße kulturell und normativ konvergent sind. Auf der einen Seite errichten Saudi-Arabien und Katar mit Hilfe westlicher Unternehmen und Militärberater hohe Elektrozäune zur Grenzsicherung, auf der anderen Seite finanzieren und unterstützen sie islamistische Bewegungen und Terrorgruppen und heizen damit die Fluchtursachen nachhaltig an. Die daraus erwachsenden Folgeprobleme in Gestalt riesiger muslimischer Flüchtlingsströme will man sich freilich vom Halse halten und gen Westen lenken, mit dem willkommenen Nebeneffekt, dort die infrastrukturellen und personellen Basen für fortschreitende Islamisierungsprozesse aufzufüllen. Wenn die Begründung für die Abschottungspolitik der arabischen Ölstaaten lautet, man wolle eine gesellschaftliche Destabilisierung vermeiden und das zerbrechliche Gleichgewicht der herrschenden Dynastien nicht gefährden, dann kann das aus europäischer Sicht nur als obszöne Zumutung gewertet sowie als politisch absolut inakzeptable Haltung behandelt werden. (…)“

http://www.gam-online.de/text-globkap.html

Tragen Sie sich für den wöchentlichen Medienüberblick - den Freitagsbrief - ein!

Es wird kein Spam geschickt! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.