Wer erzieht den Erzieher?

06.02.2023

Wer erzieht den Erzieher? –

Karl Marx / Thesen über Feuerbach

Das Element der Säkularisation für die Entstehung des modernen Staates

und seine auf den Islam anwendbare Dialektik

unter Zugrundelegung  der Arbeit von Prof. Ernst Wolfgang Bockenförde.

Von Michael Mansion

 

Bei Zugrundelegung der wissenschaftlichen Arbeit von Ernst Wolfgang Bockenförde zum Thema „Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation“, erfährt dieser wichtige Teilbereich eines Staatswesens vor aktuellem Hintergrund eine besondere Bedeutung.

Vorab erläutert er die Wesenheit des Säkularen1 als einer Emanzipation des Staates von der Religion als der zuvor bestimmenden politischen Kraft.

Dadurch erst entstand eine Bezogenheit auf die freie und selbstbestimmte Einzelpersönlichkeit,- das Individuum.

Seine Basis ist der Mensch als Mensch, wie er in den Naturbegriff des Vernunftrechts und von dort in die Prinzipien der Deklaration der Menschenrechte2 eingeht, welche damit auf ein notwendig von religiösen Bestimmungen emanzipiertes Wesen verweisen.

Bockenförde zitiert Marx und dessen Anmerkung: „Die Religion ist nicht mehr der Geist des Staates…sie ist zum Geist der bürgerlichen Gesellschaft geworden…sie ist nicht mehr das Wesen der Gemeinschaft, sondern das Wesen des Unterschieds. Sie ist aus dem Gemeinwesen exiliert“.

Bockenförde fügt hinzu: Die Religionsfreiheit als Freiheitsrecht enthält nicht nur das Recht, eine Religion privat und öffentlich zu bekennen, sondern ebenso das Recht, sich nicht zu ihr zu bekennen.

An dieser Stelle heißt es: Die Versuche (…), gegen die strukturbedingte Weltlichkeit und Neutralität des Staates einen angeblich christlichen Charakter zu bewahren…sind sämtlich gescheitert. Auch nach 1945 behielt die Religionsfreiheit das letzte Wort.

Zugleich (und im erneuten Rekurs auf Marx) weist Bockenförde darauf hin, dass die Emanzipation des Staates von der Religion nicht zugleich die wirkliche Religiösität des Menschen aufhebe und abzuheben strebe.

Allerdings weist er auch darauf hin, dass die institutionell-öffentliche Teilhabe am Allgemeinen des Staates der Religion verwehrt sei.

Es ist klar, dass Bockenförde mit dem Allgemeinen das Politische meint.

Er wendet sich zudem der philosophischen Überlegung zu, ob ein Staat sich auf eine „natürliche“ Moral3 berufen, sich auf ihr erbauen könne im Zustand seiner Säkularität.

Wieweit können staatlich geeinte Völker alleine aus der Gewährleistung der Freiheit des einzelnen leben ohne ein einigendes Band, das dieser Freiheit vorausliegt, heißt es. Dabei kommt er zu der Erkenntnis, dass sich die emanzipierten einzelnen zu einer Gemeinschaft und Homogenität zusammenfinden müssen, damit der Staat keiner inneren Auflösung anheimfalle.

Dieses Problem träte zunächst nur verdeckt in Erscheinung, weil im 19. Jahrh. eine neue, einheitsbildende Kraft an die Stelle der alten trat: Die Idee der Nation4.

Diese Idee habe mittlerweile in vielen Staaten Europas an Formkraft verloren. Der Individualismus der Menschenrechte emanzipiere letztendlich auch von der volkhaften Nation.

Einen Rekurs auf gemeinsame Werte hält Bockenförde für fragwürdig, weil er dem Subjektivismus und Positivismus das Feld öffne.

Die Frage nach einem bindenden Kern stelle sich deshalb erneut.

Der freiheitliche säkulare Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren könne.

Das sei das große Wagnis, das er um der Freiheit willen eingegangen sei. Er könne nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz der Gesellschaft reguliert.

Letztlich – so der Autor – sei mit Hegel zu fragen, ob nicht auch der säkularisierte, weltliche Staat letztlich aus jenen inneren Antrieben und Bindungskräften leben muss, die der religiöse Glaube seinen Bürgern vermittelt.

Dies freilich nicht in der Weise, dass er zum christlichen Staat zurückgebildet wird, sondern in der Weise, dass die Christen diesen Staat in seiner Weltlichkeit nicht länger als etwas Fremdes, ihrem Glauben Feindliches erkennen, sondern dass die Chance der Freiheit, die Freiheit zu erhalten und zu realisieren, auch ihre Aufgabe ist.

Hier nun schließt sich der Kreis mit einem Blick auf den Islam, wo in den Textstellen vom Christentum die Rede ist, welche, ersetzt durch den Islam, alle Probleme deutlich werden lassen, welche die Gesellschaft aktuell mit dem Nicht-Gelingen der Integration einer vormodernen Herrschaftskultur5 hat.

Schon Bockenfördes Verweis auf Marx ,…sie (die Religion) ist aus dem Gemeinwesen exiliert…, steht völlig gegen den omnipotenten gesellschaftlichen Anspruch des Islam, der sich zu einer unveräußerlichen Überlegenheit bekennt, die einen gesellschaftspolitisch bestimmenden Anspruch reklamiert, wobei das mimetisch-religiöse, im Sinne fest gefügter täglicher Verrichtungen, zwar für die Muslime wichtig ist, jedoch nicht den Kern des Problems in sich trägt6.

Zugleich sagt der Autor, dass die Religionsfreiheit als Freiheit eben nicht nur das private und öffentliche Bekenntnis garantiere, sondern eben auch die religiöse Abstinenz bzw. Bekenntnisfreiheit.

Dies korrespondiert in keiner Weise mit dem muslimischen Bekenntnis zur Bekehrung der (gesellschaftlich niederen) Anders- oder Nichtgläubigen, die sich nicht im Besitz der einzig akzeptieren zentralen Wahrheit befinden, weshalb man sie auch belügen oder töten darf.

Wenn – so Bockenförde – den Religionen die institutionell-öffentliche Teilhabe am Allgemeinen (also Politischen) als Grundlage des Säkularen verwehrt ist, so muss dies selbstverständlich auch für den (hier von ihm nicht erwähnten) Islam gelten, der (bei Befolgung) eine seiner wesentlichen, nein, seine zentrale Grundlage verlieren würde, das Recht des Politischen.

Das ist eine ganz wesentliche und mit dem Anspruch des Islam nicht zu vereinigende verfassungsrechtliche Erkenntnis, die das Wesen des dem Staat und seinen Vertretern verordneten Rechts beschreibt.

Das so beschriebene moderne Staatsverständnis beschreibt Bockenförde als einigendes Band eines die Freiheit des Einzelnen achtenden, emanzipierten und sich in einer Gemeinschaft und Homogenität zusammenfindenden Souverän.

Das sei die Voraussetzung dafür, dass der Staat nicht auseinanderfalle.

Dass er die mögliche Berufung auf gemeinsame Werte für fragwürdig hält, verwundert ein wenig, zumal er zwei Mal den Begriff der Homogenität7 bemüht, wie er ja auch in der Verfassung selbst auftaucht.

Der freiheitliche Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren könne, was wohl stimmen dürfte.

Dieser freiheitliche Staat könne nur bestehen, wenn sich die gewährte individuelle Freiheit der gesellschaftlichen Subjekte von innen her aus ihrer moralischen Substanz und der Homogenität der Gesellschaft reguliere.

Damit steht die Frage, wie viel und welche vorrangige Art von Homogenität denn zwingend erforderlich ist, unbeantwortet im Raume.

Es drängt sich allerdings der begründete Verdacht auf, dass sie beim aktuellen Stand der Dinge aus zwei zumindest wesentlichen Gründen nicht gegeben ist.

Da ist zum einen die gegen einen Mehrheitswillen weiter betriebene, vornehmlich muslimische Migration und es ist zum anderen das gewachsene Misstrauen eines Großteils der Bürgerinnen und Bürger gegenüber einem Staat und seiner Fakten verschleiernden Propaganda durch die Okkupation der Leitmedien zur Durchsetzung einer Reihe von mit dem Souverän nicht abgestimmten Agenden8.

Indem den Bürgerinnen und Bürgern offen oder versteckt unterstellt wird, es mangele ihnen am nötigen Fachwissen zum Erkennen von Notwendigkeiten, obschon es zugleich ja eine demokratische Pflicht wäre, diese auch in Frage stellen zu dürfen, ist eine gesellschaftliche Spaltung in Befürworter und Gegner einerseits und ein empfindlich gestörtes Verhältnis des Staates zu seinen Bürgerinnen und Bürgern andererseits festzustellen.

Damit ist etwas passiert, was Bockenförde im Zusammenhang mit der Emanzipation des Staates von der (in diesem Falle christlichen Religion) angesprochen hat. Es erweist sich im umgekehrten Sinne des Wortes als dialektisch, indem nämlich der Staat sein Staatsvolk wie etwas Fremdes behandelt, etwas zu erziehendes.

Das zeigt sich (quasi übergeordnet) und aktuell auch in der Gestalt der neuen EU Koordinatorin zur Bekämpfung der Muslimfeindlichkeit, Frau Marion Lalisse.

Zur Begründung äußerte sich der Vorsitzende des religiös-konservativen Zentralrates der Muslime in Deutschland, Herr Aiman Masyek, dies sei eine richtungsweisende Entscheidung vor dem Hintergrund eines weiteren Anstieges der Muslimfeindlichkeit und gleichsam immer stärkerer Leugnung dieses Rassismus in rechten Kreisen in Europa.

Masyek setzt hier unwidersprochen von staatlich verantwortlichen Gremien und den Medien die Kritik am Islam mit Rassismus gleich, womit eine wesentliche Errungenschaft der Aufklärung negiert wird,- die Religionskritik.

Damit wird zugleich die demokratische Freiheit eines offenen und notwendigen Diskurses hintertrieben und nachgerade schändlich preisgegeben.

 

Anmerkungen

1 hierzu: Charles Taylor (kanadischer Politikwissenschaftler u. Philosoph) Forschungen zu Moralphilosophie, Sprachphilosophie, politische    Philosophie u. Religionsphilosophie (Hauptwerk: „Quellen des Selbst“ und “Ein säkulares Zeitalter“ „Das Unbehagen an der Moderne“ (Suhrkamp) Themen: Kommunitarismus/Säkularismus/Multikulturalismus

2 hierzu: Michael Heinig: „Säkularer Staat viele Religionen-Religionspolitische Herausforderungen der Gegenwart“ (Kreutz-Verlag) Hierzu auch: Deklaration der Menschenrechte /Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in 30 Artikeln.

3 hierzu: Christine Henninghausen: „Evolution des Sozialen (Die Psychogenese der Menschheit)“ Herausgeber: Benjamin P. Lange und Frank Schwab (gebundene Ausgabe). Hierzu auch der Aufsatz von Werner Stangl :“Gibt es eine natürliche Moral?“

4 hierzu: Wolfgang J. Mommsen: (1930-2004) Deutscher Historiker. Zahlreiche Arbeiten und Standardwerke zum Thema Staat und Gesellschaft. Imperialismustheorie/ Nationalstaat/ Kultur und Krieg/ Arbeiten zu Max Weber/“Die Idee der deutschen Nation in Geschichte und Gegenwart“ (Bibliothek der Humboldt-Universität).

5 hierzu: Hartmut Krauss/“Der Islam als grund- und menschenrechtswidrige Weltanschauung. Ein analytischer Leitfaden“. (Hintergrund-Verlag)

6 hierzu: Tilman Nagel/ (deutscher Orientalist und Islamwissenschaftler)“Was ist der Islam?  Grundzüge einer Weltreligion“

7 hierzu: Felix Hanschmann:(Grundlagenforscher zur Praxis des demokratischen Rechtsstaates/“Der Begriff der Homogenität in der Verfassungslehre und Europarechtswissenschaft“./“Zur These von der Notwendigkeit homogener Kollektive“.

8 Gemeint ist hier vor allem die sog. Klimarettung, die Energiewende, die „bunte“ Republik, der „Kampf gegen rechts“ oder das EU-getriebene Hinwirken auf einen europäischen Bundesstaat.

 

 

 

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