Die strategische Souveränität der EU

24. Januar 2023

Berlin und Paris streben größere Eigenständigkeit der EU gegenüber den USA an und rüsten massiv auf – auch,

weil Deutschland in der Rivalität mit Washington schwere Rückschläge verzeichnet.

“ Deutschland und Frankreich streben nach größerer „europäischer Souveränität“ und wollen die EU „als geopolitischen Akteur … stärken“. Dies geht aus einer Deutsch-Französischen Erklärung hervor, die gestern in Paris anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée-Vertrages veröffentlicht wurde. Die Erklärung sieht weitere militärische Unterstützung für die Ukraine vor, „solange dies nötig ist“, kündigt neue Aufrüstungsschritte an und sieht deutsch-französische Manöver „im Indo-Pazifik“ vor. Hintergrund sind unter anderem gravierende Rückschläge der Bundesrepublik in der Rivalität mit den Vereinigten Staaten, darunter eine zunehmende militärische Abhängigkeit sowie die drohende Deindustrialisierung durch die Abwanderung von Produktionsstandorten in die USA. Wie der französische Publizist Emmanuel Todd urteilt, gehe es in den gegenwärtigen globalen Machtkämpfen – einem „beginnenden dritten Weltkrieg“ – auch „um Deutschland“. Bundeskanzler Olaf Scholz geht von der Entstehung einer „multipolaren Welt“ aus; in ihr sollen sich Deutschland und die EU als militärisch schlagkräftige Mächte eine führende Stellung sichern.“ (…)

https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9139

Kommentar GB:

Frankreich dürfte heute im Verhältnis zur Weltmacht USA über die vergleichsweise größte politische Unabhängigkeit verfügen.

Trotz des bisherigen größeren ökonomischen Gewichts Deutschlands kommt Frankreich daher zumindest eine, wenn nicht die politische Führungsrolle in der EU zu. Als Beobachter gewinnt man den Eindruck, daß derzeit allein Paris willens und in der Lage ist, gewisse eigenständige europäische Positionen zu benennen. Demgegenüber scheinen sich Berlin und Brüssel sehr eng an der NATO – also an den USA und ihren spezifischen Interessen – zu orientieren. Das scheint aber in Berlin paradoxerweise trotz der Ereignisse in Nordeuropa, die zu Lasten Deutschlands gehen, nicht als Problem wahrgenommen zu werden, jedenfalls nicht öffentlich.

Und dieser Umstand dürfte in den politischen deutsch-französischen Beziehungen als Widerspruch spürbar sein.

 

 

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