Dauerkrise als Mittel der Transformation

Agambens gefährliche Gedanken

Das Totalitäre als letzte Chance des Kapitalismus: Agambens ignorierte Warnungen

Kommentar GB:
Wenn man minoritäre politische Ziele durchsetzen will, die unter normalen demokratischen Verhältnissen nicht durchsetzbar sind, weil dafür bei rationaler Interessenabwägung innerhalb der Wählerschaft keine Mehrheiten erwartet werden können, und wenn ein offener Putsch gegen die formal demokratische Gesellschafts- und Verfassungsordnung vermieden werden soll – oder so gar nicht möglich ist, dann besteht neben der kleinschrittigen rechtlichen Aushöhlung der Verfassungsordnung logisch noch die Möglichkeit, anstelle  eines Machtputsches eine inszenierte Serie von Krisen (K1, K2 … Kn) zu setzen, die auf den ersten Blick eine Legitimation eines Ausnahmezustandes bieten. Ein offener antidemokratischer Machtputsch kann so vermieden werden, einerseits, und andererseits entsteht zugleich der Schein einer totalitären Legitimität, der allerdings von der gesellschaftlichen und sozialpsychologischen Wirksamkeit der mit der jeweiligen Krise (K1, K2 … Kn) verbundenen Propagandaerzählung, dem sogenannten „Narrativ“ engstens verbunden bleibt.
Dieses muß daher mit fast allen Mitteln verteidigt werden.
Dafür ist eine Voraussetzung, daß das jeweilige Narrativ wenigstens „glaubhaft“ ist, also eine gewisse Mindestplausibilität beanspruchen kann, die durch“interessierte Wissenschaft“ abgesichert wird. Diese „interessierte Wissenschaft“ wiederum erscheint im Gegensatz zur skeptischen, zweifelnden, suchenden, kritisch prüfenden und sich selbst korrigierenden wirklichen WISSENSCHAFT als – angeblich – wissenschaftliche „Gewißheiten“ anbietende quasi-theologische AUTORITÄT, die nur von „Leugnern“ oder „Ketzern“ hinterfragt wird.
Daraus folgt die Verfolgung der „Ketzer“; sie werden zwar nicht wie im Mittelalter physisch verbrannt, sehr wohl aber sozial, d.h. die mittelalterlichen Strafen von ACHT UND BANN leben faktisch wieder auf; auch die Strafjustiz wird hierfür eingespannt, und zwar durch Juristen in hierauf spezialisierten Staatsanwaltschaften: auch der Dominikanerorden ist somit – in neuer Gestalt – wieder da.
Dominanz durch Dauereinschüchterung ist der erwünschte Zielzustand, der es dann erlaubt, herrschaftlich willkürlich zu handeln.
Das demokratische Subjekt (der demos, das Volk) verschwindet, indem es in ein bloßes Objekt der Herrschaft verwandelt wird.
Um diesen Übergang, um diese „Transformation“ geht es in unserer Gegenwart.

Tragen Sie sich für den wöchentlichen Medienüberblick - den Freitagsbrief - ein!

Es wird kein Spam geschickt! Erfahren Sie mehr in unserer Datenschutzerklärung.