Amnesty: Ukrainisches Militär gefährdet Zivilisten

05. 08. 2022  –  Hartmut Krauss

Amnesty: Ukrainisches Militär gefährdet Zivilisten

 

„Amnesty: Ukrainisches Militär gefährdet Zivilisten

4. August 2022

von Thomas Oysmüller

Amnesty International dokumentierte Dutzende Fälle, in denen die ukrainischen Streitkräfte Schulen und Krankenhäuser als militärische Stützpunkte. Damit setzte man Zivilisten einer hohen Gefahr aus. Dieses Vorgehen verstößt klar gegen das humanitäre Völkerrecht. Das Verteidigungsministerium der Ukraine ignoriert die Vorwürfe seit Tagen.

Fünf Monate seit der Invasion Russlands richtet „Amnesty International“ schwere Vorwürfe an das ukrainische Militär. Durch den Aufbau von militärischen Stützpunkten in Krankenhäusern, Schulen und Wohngebieten brachte man die Zivilbevölkerung in Gefahr.

Gefahr für Zivilisten

Russland wirft der Ukraine bereits seit Längerem vor, zivile Einrichtungen als Militärbasen zu verwenden. Diesen Schluss zieht nun auch „Amnesty International“. Man habe die ukrainische Zivilbevölkerung in Gefahr gebracht, weil man Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten für das Militär genutzt hat und aus bewohntem Gebiet operierte.

„Die ukrainischen Streitkräfte gefährden Zivilisten und Zivilistinnen und verletzen das Kriegsrecht, wenn sie in bewohnten Gebieten operieren“, so Agnès Callamard (57), Generalsekretärin von Amnesty International. „Dass sich die Ukraine in einer Verteidigungsposition befindet, entbindet das ukrainische Militär nicht von der Einhaltung des humanitären Völkerrechts.“

Russland warf der ukrainischen Armee immer wieder vor, Zivilisten als „menschliche Schutzschilde“ zu benutzen. Die Ukraine und der Westen haben das bisher bestritten, kürzlich bestätigte dies aber auch ein Reporter „Welt“. Er sagte in einem Livebeitrag:

„Es ist Fakt, auch das gehört zur Wahrheit dieses Krieges dazu, dass die Ukraine – und das haben wir jetzt schon wiederholt sehen und hören können – ihre Geschütze, ob es Haubitzen sind, ob es Mörser, ob es Granatwerfer sind, dass sie diese auch in Wohngebieten positionieren. Und das oftmals auch in der Nähe von zivilen Einrichtungen, Krankenhäusern etc.“

Auch ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz hatte auf Ähnliches immer wieder hingewiesen. Das brachte ihm scharfe Kritik ein. „Amnesty“ hat nun über mehrere Monate Beweise zu diesen Vorwürfen gesammelt. In insgesamt 19 Ortschaften, im Donbass, Charkow und Nikolaev und Mykolaiv sollen Angriffe aus dem Wohngebiet gestartet worden sein. Zivile Gebäude nutzten die Soldaten, um sich zu verschanzen. Zur Schlacht um Mariupol veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation keine weiteren Details.

Außerdem sei die Zivilbevölkerung in den dokumentierten Fällen nicht dazu aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen. „Das Militär versäumte es, alle möglichen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung zu treffen“, heißt es im Bericht.

In Bakhmut, das noch immer von der Ukraine gehalten wird, nutzten die ukrainischen Streitkräfte ein Universitätsgebäude als Stützpunkt. Dieses wurde am 21. Mai von der russischen Armee angegriffen. „Die Universität grenzt an ein Wohnhochhaus, das bei dem Angriff beschädigt wurde, sowie an weitere zivile Wohnhäuser in etwa 50 m Entfernung. Forscher von Amnesty International fanden die Überreste eines Militärfahrzeugs im Innenhof des bombardierten Universitätsgebäudes“, schreibt „Amnesty“.

Auch zu den Schulen weiß „Amnesty“ interessantes zu berichten:

„In 22 der 29 besuchten Schulen fanden die Forscher von Amnesty International entweder Soldaten, die die Räumlichkeiten nutzten, oder sie fanden Beweise für aktuelle oder frühere militärische Aktivitäten – einschließlich des Vorhandenseins von Militärkleidung, weggeworfener Munition, Rationspaketen der Armee und Militärfahrzeugen.

Die russischen Streitkräfte haben viele der von den ukrainischen Streitkräften genutzten Schulen angegriffen. In mindestens drei Städten zogen die ukrainischen Soldaten nach der russischen Bombardierung der Schulen in andere Schulen in der Nähe um, so dass die umliegenden Stadtteile der Gefahr ähnlicher Angriffe ausgesetzt waren.“

Zu Krankenhäusern:

„Forscher von Amnesty International beobachteten, dass ukrainische Streitkräfte an fünf Orten Krankenhäuser als De-facto-Militärstützpunkte nutzten. In zwei Städten ruhten sich Dutzende von Soldaten in den Krankenhäusern aus, tummelten sich dort und nahmen Mahlzeiten ein. In einer anderen Stadt feuerten Soldaten aus der Nähe des Krankenhauses.

Bei einem russischen Luftangriff am 28. April wurden zwei Mitarbeiter eines medizinischen Labors in einem Vorort von Charkiw verletzt, nachdem die ukrainischen Streitkräfte auf dem Gelände einen Stützpunkt eingerichtet hatten.

Die Nutzung von Krankenhäusern für militärische Zwecke stellt einen klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar.“

Agnès Callamard sagt abschließend:

„Die ukrainische Regierung sollte unverzüglich dafür sorgen, dass ihre Streitkräfte nicht in bewohnten Gebieten stationiert werden, oder sie sollte Zivilisten aus Gebieten evakuieren, in denen das Militär operiert. Militärs sollten niemals Krankenhäuser zur Kriegsführung nutzen und Schulen oder zivile Wohnhäuser nur als letzten Ausweg nutzen, wenn es keine brauchbaren Alternativen gibt“,

Am 29. Juli konfrontierte Amnesty das ukrainische Verteidigungsministerium mit dem Bericht. Dort hat man die Vorwürfe bisher ignoriert.“

Der ganze Bericht von Amnesty International :

Ukraine: Ukrainian fighting tactics endanger civilians

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