Was verrät das chinesische Schriftzeichensystem über China?

Versuch, siebzigtausend Schriftzeichen durch sechsundzwanzig Buchstaben zu bannen

Helwig Schmidt-Glintzer
„Die chinesische Schrift sei das komplizierteste System von Formen, welches die Menschheit geschaffen habe, und das markanteste Alleinstellungsmerkmal der chinesischen Kultur, so der Heidelberger Professor für Kunstgeschichte Ostasiens Lothar Ledderose. Ein umfassendes Wörterbuch des Chinesischen kennt etwa 70 000 verschiedene Schriftzeichen.“ (…)

„Die wichtigsten Argumente für die Beibehaltung des Schriftsystems sind aber neben den genannten die Handschrift und die kognitiven Anreize. Schon vor Jahren haben Bildungsexperten wie Manfred Osten auf die «eindeutig grösseren Möglichkeiten für die Ausbildung neuronaler Fähigkeiten» hingewiesen. Dies und die Ausbildung eines «stark ausgeprägten eidetischen Gedächtnisses» hätten zu einem «Vorteil lebenslanger geistiger Fitness» geführt, «der in China nachhaltig gefördert wird durch den selbstverständlichen hohen Stellenwert der Bildung und die damit verbundene Lernbereitschaft im Sinne des konfuzianischen Wertesystems».

Ferner sind die Integrationskraft und die Ermöglichung kultureller Kohärenz und daraus resultierend die Schrift als Sinnressource und damit als Denkraum zur Relativierung der Gegenwart zu nennen.“ (…)

Helwig Schmidt-Glintzer ist Professor für Sinologie und Direktor des China-Centrums Tübingen. Zuletzt ist 2018 bei Matthes & Seitz erschienen: «Chinas leere Mitte. Die Identität Chinas und die globale Moderne».
Kommentar GB:
Hochinteressant – und glänzend geschrieben … Sehr lesenswert!

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