Erinnerungskultur

Billy Coen:

“ … Zum einen sehe ich ihn Israel kaum noch ernsthaft ein Land der Opfer. So wenig, wie in Deutschland noch echte seinerzeit sehr aktive Nazis leben, so gibt es in Israel nur noch sehr wenige Menschen, die tatsächlich direkt von Naziverbrechen betroffen waren. Einzig könnte man noch anführen, dass es zahlreiche Menschen gibt, die etwa Großeltern „verloren“ haben; verloren in Anführungszeichen, weil sie in der Regel noch nicht mal in der Planung waren, als ihre Großeltern ermordet wurden.

Mit dem Ende lebender Opferschaft endet jedes Opfertum; dasselbe gilt für Täterschaft. Dasselbe sehe ich etwa auch bei den Schwarzen in den USA, die gar nicht aufhören können, die Sklaverei als „ihnen angetanes“ Verbrechen zu beklagen, obwohl kein einziger von ihnen je auch nur annähernd derartige Lebensverhältnisse hat erdulden müssen.

Mit einer dauerhaften Zuschreibung von Opfervölkern und Tätervölkern steckt man selbst schon mitten drin in dem kollektivistischen Denken identitärer Ideologien. Es kann nur von jedem Menschen Reue abverlangt werden für Taten, die dieser auch selbst begangen hat. Ebenso kann man nur Mitgefühl für Leid erwarten, welches man auch tatsächlich selbst hat erdulden müssen.

Anders sieht das für mich aus, was das in Erinnerung halten solcher Verbrechen zum Zwecke der Mahnung anbelangt.“ (…)

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