Der Staatsrechtler Josef Franz Lindner kritisiert das deutsche Bundesverfassungsgericht

Interview

Josef Franz Lindner lehrt öffentliches Recht an der Universität Augsburg. Er habilitierte sich 2004 in München mit einer Arbeit über die «Theorie der Grundrechtsdogmatik».
Uni Augsburg

„Bemerkenswert oberflächlich“

Die Karlsruher Richter haben die Ausgangssperren zunächst nicht untersagt. Damit, so Lindner, ist ein weiter Spielraum eröffnet, um Grundrechte tiefgreifend einzuschränken. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sei nun möglich.

Alexander Kissler, Berlin 19 Kommentare 07.05.2021

https://www.nzz.ch/international/staatsrechtler-lindner-kritisiert-das-bundesverfassungsgericht-ld.1624032

Kommentar GB:

Zitat: (…)

Ist es nicht zu viel von einem Verfassungsgericht verlangt, wenn es sich eine virologische und epidemiologische Urteilskraft erarbeiten soll?

Das Bundesverfassungsgericht sollte zumindest auf eine gründlichere Art und Weise diese Problematik thematisieren. Dies sollte man von einer Hauptsacheentscheidung erwarten – wenn es eine geben wird.“ (…)

„Sehen Sie eine inhaltliche Linie, die vom Klimaschutzurteil, in dem kommende Generationen als Träger von in der Gegenwart zu berücksichtigenden Rechten aufgefasst wurden, zur Tolerierung der Ausgangssperren führt?

Die Entscheidung zum Klimagesetz zeigt, dass Karlsruhe weitreichende Grundrechtseinschränkungen zum Klimaschutz für zulässig und möglicherweise sogar für verfassungsrechtlich geboten hält. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Staat einen sehr weiten Spielraum eröffnet, um die Grundrechte tiefgreifend einzuschränken – sowohl bei Corona als auch beim Klima.“  —

Das verweist auf das, was ich juristischen Dilettantismus nenne. Oder es ist ein zynischer machtpolitischer Opportunismus. Oder auch beides zugleich.

Die Rechtswissenschaft und die Rechtsprechung sind objektiv außerstande, irgendwelche ontologischen Urteile zu fällen, die mehr verlangen als das Bildungssniveau eines durchschnittlichen Abiturienten in Verbindung mit dem allgemeinen Alltagsbewußtsein. Und das liegt daran, daß die Welt außerhalb der juristischen Norm- und Prozeßsphäre, deren Spezialisten Juristen sind, in dieser Sphäre anders gar nicht vorkommt. Juristen wissen darüber i.d.R. viel zu wenig, um selbst urteilen zu können, außer wenn sie sich auf Fachgutachter beziehen. Und selbst das ist nur eine prozessuale Hilfskonstruktion, weil dabei die Auswahl des oder der Gutachter zum Problem wird.

Eigentlich – eigentlich! – müßten Richter zumindest einen hinreichenden Überblick über das nichtjuristische wissenschaftliche Wissen haben und zugleich wissenschaftstheoretisch reflektiert sein, um in der Lage zu sein, Gutachter so auszuwählen, daß die ontologische Lücke im juristischen Wissen für den Einzelfall mit hinreichender Genauigkeit geschlossen werden kann. –

Kommentar Reinhard Hascha:

Verwaltungsgerichtspräsident: Bundes-Notbremse verfassungswidrig Massive Kritik an Merkel

https://reitschuster.de/post/verwaltungsgerichtspraesident-bundes-notbremse-verfassungswidrig/

Die Bundes-Notbremse sei verfassungswidrig, so der hochrangige Richter. Gleichzeitig attackierte er Merkel und stellte ihr Verhältnis zum Rechtsstaat in Frage. „Wenn die Bundeskanzlerin es als Mehrwert sieht, dass die Verwaltungsgerichte ausgeschaltet werden, dann frage ich mich, was für ein Verständnis von Rechtsstaat sie hat“, sagte Andreas Heusch beim Jahrespressegespräch des Düsseldorfer Verwaltungsgerichtes

Man könne Grundrechte nicht durch ein Gesetz einschränken, sondern nur aufgrund eines Gesetzes, so die Vize-Präsidentin laut Rheinischer Post. Bei der Bundesnotbremse sei das aber nicht geboten.

Klage gegen Notbremse: AfD bietet FDP und Linke Zusammenarbeit an
 https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/afd-notbremse/

Bundes-Lockdown verletzt Grundrechte: Murswiek klagt in Karlsruhe
https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2021/bundes-lockdown-grundrechte-murswiek-karlsruhe/

 

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Abschließender Hinweis:

Art. 20

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) 1Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. 2Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Vorherige Gesetzesfassung

https://dejure.org/gesetze/GG/20.html

 

 

 

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