Iran: Zur totalitären Konstitution des staatsislamistischen Herrschaftssystems

  1. Die khomeinistische Leitideologie

„Die repressiv-terroristische Ausschaltung der säkularen Oppositionskräfte bildete die unabdingbare Voraussetzung für die Ersetzung der Schah-Diktatur durch die totalitäre ‚Gottesdiktatur‘ der schiitisch-islamischen Religionsgelehrten. Als Leitkonzept dieser Transformation und funktionale Herrschaftsideologie diente und dient die radikale Zuspitzung der orthodoxen schiitisch-islamischen Glaubenslehre durch Khomeini. Danach ist der Islam die letztgültige Glaubenslehre und Weltanschauung, die im Sinne einer göttlich vorherbestimmten Geschichtsteleologie gesetzmäßig zur weltherrschaftlichen Vollendung gelangt. Von dieser Grundposition aus wird dann sowohl die traditionell-christliche als auch insbesondere die säkular-humanistische Kultur des Westens im Sinne einer geschlossenen Verschwörungsideologie konsequent verteufelt und damit ein perfekter Abwehrmechanismus gegenüber den eigenen herrschaftskulturellen Defekten, Widersprüchen, Entwicklungsbehinderungen, Krisen etc. geschaffen. Alle Probleme erscheinen demnach als eine Verunreinigung durch westlich-säkulare Einflüsse, die es kämpferisch (djihadistisch) abzuwehren und zu überwinden gilt. Als zentrale westliche Vergiftung werden das kritisch-rationale Denken und die daraus hervorgehenden emanzipatorischen Handlungsimpulse fokussiert.
Um nun zu einer eingreifenden Praxis im Sinne der Herstellung einer gottesherrschaftlichen Gesellschaftsordnung zu gelangen und damit auch die vergiftenden Einflüsse des Westens radikal ausmerzen zu können, nimmt Khomeini eine grundlegende Revision innerhalb der klassischen schiitischen Herrschaftslehre vor. Nach dieser traditionellen Auffassung sind die religiösen Rechtsgelehrten während der Entrückungszeit des Zwölften Imams dazu angehalten, den weltlichen Herrscher bei der Einhaltung der schariatischen Ordnung zu unterstützen bzw. dessen Regierungstätigkeit im Hinblick auf deren Scharia-Konformität zu kontrollieren. Demgegenüber plädiert nun Khomeini angesichts der ‚absoluten Gottlosigkeit‘ der Schah-Herrschaft für die Ersetzung dieser indirekten Wächterfunktion durch die unmittelbar-aktive Herrschaftsausübung der religiösen Rechtsgelehrten als legitimierte Sachwalter des Verborgenen Imam. Dieses Konzept der „Regierung der Rechtsgelehrten“ (wilayat al-faqih[1]) besagt nach Khomeini, „dass die Rechtsgelehrten verpflichtet sind, gemeinsam oder einzeln zum Zweck der Vollstreckung der koranischen Strafgesetze (hudud) und des Schutzes der Grenzen und der Ordnung des Islam eine religiöse Regierung zu bilden. … denn die Rechtgelehrten sind von Gott designiert“ (zit. n. Meier 1994, S. 335).
Durch diese Neuinterpretation der Rolle der Rechtsgelehrten wurde gleichzeitig der dem Modernisierungsprozess innewohnenden tendenziellen Marginalisierung bzw. dem Bedeutungsverlust der Islamgelehrtheit eine extrem offensive Antwort erteilt. Damit erscheint Khomeini als paradigmatische Verkörperung des Umschlags des konservativ-orthodoxen Gesetzesislam in die aktivistisch radikalisierte Form des Islamismus.
Das Wesen und die Eigenart der islamischen Gesetze bedingen nach Khomeini die Notwendigkeit der Schaffung des islamischen Staates. „Aus dem Wesen und der Eigenart dieser Gesetze geht hervor, daß sie für einen Staat und für die Regelung der politischen, ökonomischen und kulturellen Angelegenheiten der Gesellschaft initiiert worden sind. (Khomeini, Der islamische Staat 1983, S. 36). „Der heilige Koran und die Sunna“, so Khomeini weiter, „enthalten alle Weisungen und Gesetze, die der Mensch zum Glück und zur Vollkommenheit braucht (…) Der Koran erklärt alle Probleme und Angelegenheiten (…) Daran darf man nicht zweifeln“ (ebenda, S. 37). Da der Islam der eine und wahre Glaube sei, sei es die Pflicht der Rechtgläubigen, so lange zu kämpfen, bis die gesamte Menschheit zum Islam übertritt oder sich der islamischen Herrschaft beugt.
Der globale Weltherrschaftsanspruch der „islamischen Revolution“ richtet sich bei Khomeini vor diesem dogmatischen Hintergrund dann folgerichtig gegen alle Formen entgegenstehender Gesellschaftsstrukturen, Kulturen und Religionen, d.h. gegen westlich-säkularen Kapitalismus und atheistischen Sozialismus, gegen Christentum und Judentum, insbesondere aber gegen alle Erscheinungsformen der kulturellen Moderne und nichtmuslimischer Ungläubigkeit. Die Tötung von Ungläubigen ist für ihn nichts weiter als göttliche Pflicht auf diesem Wege zur Errichtung der islamischen Weltherrschaft, wobei er sich leider durchaus zu Recht auf die islamische Offenbarung beziehen kann:
„Wenn man es zulässt, dass die Ungläubigen damit fortfahren, ihre verderbliche Rolle auf Erden zu spielen, so wird ihre Strafe umso schlimmer sein. Wenn wir also die Ungläubigen töten, um ihrem verderblichen Handeln ein Ende zu bereiten, dann haben wir ihnen im Grunde einen Gefallen getan. Denn ihre Strafe wird dereinst geringer sein. Den Ungläubigen das Leben zu lassen bedeutet Nachsicht gegenüber ihrem verderblichen Tun. Sie zu töten ist wie das Herausschneiden eines Geschwürs, wie es Allah der Allmächtige befiehlt. Jene, die dem Koran folgen, wissen, dass wir die Quissas (Strafgesetze) anwenden und töten müssen. Die Kriege, die unser Prophet, Friede seiner Seele, gegen die Ungläubigen führte, waren ein Geschenk Gottes an die Menschheit. Wir müssen auf der ganzen Welt Krieg führen, bis alle Verderbnis, aller Ungehorsam gegenüber dem islamischen Gesetz aufhören. Eine Religion ohne Krieg ist eine verkrüppelte Religion. Es ist Krieg, der die Erde läutert“ (zit. n. Schirra 2006, S. 154f.)[2].
Aus dem Geist dieser hegemonial gewordenen Islamauslegung heraus wurde die Islamische Republik Iran als totalitäres staatsislamistisches Herrschaftssystem mit entsprechenden Repressionsapparaten, sittenterroristischen Verbänden, einer barbarischen Strafjustiz sowie einer schariatischen Gleichschaltungsideologie geschaffen. Khomeini nahm in diesem System in „guter“ persischer Tradition den Platz eines totalitären Gott-Königs ein, der willkürlich neue Regeln aufstellen und nach religiösem Belieben zivilisatorische Tabus brechen durfte.
Nach der Verfassung des Gottesstaates ist die islamische Republik ein System, „das auf folgenden Glaubenssätzen basiert: Dem einen und einzigen Gott; seiner exklusiven Souveränität und Gesetzgebung; der Notwendigkeit sich seinem Befehl zu unterwerfen, die göttliche Offenbarung und ihre grundsätzliche Rolle in der Verabschiedung von Gesetzen; das Konzept der Auferstehung und seine konstruktive Rolle im Evolutionsweg des Menschen zu Gott; die Gerechtigkeit Gottes in der Schöpfung und im Gesetzgeben. Das ununterbrochene Imamat, seine Führerschaft und seine fundamentale Rolle in der islamischen (nicht allein iranischen) Revolution“ (Trimondi und Trimondi 2006, S. 359f.) “ (…)

Iran: Zur totalitären Konstitution des staatsislamistischen Herrschaftssystems

Kommentar GB:
Man lese vor diesem Hintergrund:

WELT AM SONNTAG, 20.9.20, zum IZH

Hamburgs Herz für Irans Islamisten

Die Blaue Moschee gilt als Europa-Zentrale des iranischen Mullah–Regimes, der Verfassungsschutz beobachtet sie. Iranische Oppositionelle berichten: Mitglieder der Moschee hätten sie bedroht. Hamburgs Senat nahm die Moschee in die Mitte der Gesellschaft auf

Von Ibrahim Naber


https://www.welt.de/politik/deutschland/plus216125896/Blaue-Moschee-Wie-der-Hamburger-Senat-Islamisten-hofiert.html

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