Die Rache der Ausgetauschten

Kommentar Reinhard Hascha
in diesem Artikel wird durchgehend der Nationalcharakter thematisiert, wenn auch nicht so betont. Werden die Deutschen jemals in der Lage sein, ihren Nationalcharakter progressiv zu verändern?
Ein sehr interessanter Beitrag.
Die deutsche Gehorsams-/Devotionskultur scheint nicht nur allgegenwärtig zu sein, sondern ist m. E. ungebrochen regressiv stabil in dialektisch sich verstärkender Wechselwirkung: Einerseits befördern „deformierte“ Persönlichkeiten (in verantwortungsvollen Positionen) die weitere Erosion der Demokratie und andererseits bestätigt bzw. bestärkt diese Entwicklung diese Personen in ihrem regressivem Wirken. 
Mir scheint, hier einen Ansatz zur Begründung zu finden: Stagnative Form der Widerspruchsverarbeitung:
 

„Der Begriff „Nationalcharakter“ bezeichnet im hier behandelten Kontext nicht eine essentialistisch verstandene (etwa erbbiologisch festgelegte und somit fatalistisch vorgegebene) Wesensnatur von Menschen einer bestimmten Nation. Vielmehr reflektiert er die besondere Gestalt der politisch-kulturellen Traditionsinhalte, Tradierungsbedingungen und Aneignungsresultate einer bestimmten Nation. Aufgrund der Dominanz und Zählebigkeit hegemonialer Ideologien, Werte, Normen etc., die ihrerseits als Kristallisationen vorangegangener Kämpfe und Konflikte mit jeweils spezifischen Kräfteverhältnissen zu betrachten sind, kommt es demnach zu einer relativ häufigen Verbreitung „typischer“ Einstellungen, Mentalitätsformen, Verhaltensweisen etc. unter den Mitgliedern einer Nation. „Nationalcharakter“ bezeichnet folglich die subjektivierte (verinnerlichte) Form der hegemonialen Kultur eines Landes, die als „typische“ statistische Häufung bestimmter Bewußtseins- und Verhaltensmerkmale in Erscheinung tritt. Allerdings ist zu betonen, daß die konkreten Individuen nicht einfach als passiver Reflex der vorgegebenen Kultur zu betrachten sind. Im Sinne Gramscis sind sie immer auch in ihrer virtuellen Potenz als „eigensinnige“ Interpreten des tradierten Sozialerbes zu sehen. Als zeitweilig geronnene Struktur historischer Praxis ist der „Nationalcharakter“ damit via praktisch-kritischer Tätigkeit und entsprechender Erfahrungsveränderung gundsätzlich progressiv wandelbar.“

http://www.glasnost.de/autoren/krauss/fundam2.html?fbclid=IwAR1nqtYFGBUH3Tp4oRKlb5u_kdkGk5XXj5-DmB15lJA4RyzMduPJlbpms8k

Hartmut Krauss: Faschismus und Fundamentalismus. Varianten totalitärer Bewegung im Spannungsfeld zwischen ‚prämoderner´ Herrschaftskultur und kapitalistischer ‚Moderne´, Osnabrück 2003, S. 46.

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