Die Türkei spielt ein mieses Spiel

 Wolfram Weime

„Zur Lösung der Migrationskrise setzt Angela Merkel jetzt alles auf die Türkei-Karte. Doch Ankara spielt sein eigenes, brutales Spiel.“
„Bayern mag toben, doch die Bundesregierung will die Grenzen nicht sichern. Sie will sie lieber sichern lassen – von der Türkei als neuem Grenzpolizisten Europas. Darum hofiert die Bundeskanzlerin dieser Tage den türkischen Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Der kommt zu den ersten deutsch-türkischen Regierungskonsultationen und triumphiert. Denn der neuartige Gipfel demonstriert aller Welt die diplomatische Aufwertung der kürzlich noch geschmähten Despotie Erdogans. Die brutale Niederschlagung der Gezi-Park-Proteste, die Verhaftungswelle gegen kritische Journalisten, die Unterdrückung der Opposition, die politischen Attacken gegen Israel, das Gemetzel im Kurdengebiet, der schmutzige Krieg in Syrien – all dies spielt für Berlin jetzt keine Rolle mehr. Die Migrationskrise macht aus einem dubiosen Nachbarn mit blutverschmierten Fingern plötzlich einen neuen, reputierlichen Partner.
Ein „Aktionsplan“ soll die Türkei dazu verpflichten, ihre Grenzen zu sichern und illegal nach Europa eingereiste Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug soll für türkische Staatsangehörige die Einreise in den Schengen-Raum deutlich erleichtert und die festgefahrenen Beitrittsverhandlungen mit der EU wieder intensiviert werden. Hinzu kommen mindestens drei Milliarden Euro, die die Europäer (letztlich die Deutschen) für Flüchtlingsprojekte in der Türkei geben sollen.
Merkel steht politisch unter Druck wie noch nie in ihrer Kanzlerschaft. Und ihr läuft die Zeit davon. Sie hat versprochen, den unkontrollierten Massenzustrom von Flüchtlingen bis März einzudämmen. Das geht – weil sie die eigene Grenzsicherung strikt ablehnt – nur mithilfe des türkischen Militärapparates. Damit verdichtet sich Merkels politisches Schicksal auf einen mephistotelischen Pakt mit Ankara, um die Kanzlerschaft zu retten.
Sie begibt sich in die Hand Erdogans, der nun die Schicksalsfäden der Kanzlerin in seinen Händen hält. Das ist moralisch fragwürdig und machtpolitisch gefährlich, weil Berlin sich damit von einem Despoten erpressbar macht.“  (…)

„Ankara habe ganz gezielt die Massenflucht nach Europa befördert, um Europa unter Druck zu setzen“

„Der Schlüssel zu einem Syrienfrieden liegt also in Ankara. Eigentlich müsste Europa Erdogan endlich dazu zwingen, diesen Stellvertreterkrieg zu beenden und sein blutiges Doppelspiel zu entlarven – so wie es Moskau bereits lange fordert. Doch Erdogan hat sich gegen eine Intervention Europas einen eigenen Trumpf geschaffen – die Flüchtlinge. Geheimdienststrategen nennen es die „Migrationswaffe“; Ankara habe in den vergangenen Monaten ganz gezielt die Massenflucht nach Europa befördert, um Europa unter Druck zu setzen. Der griechische griechische Vizeminister Ioannis Mouzalas nennt es offen ein „Bombardement mit Menschen“, das die Türkei aktiv betreibe. Ohne Duldung und logistische Unterstützung der türkischen Behörden wäre die Massenflucht von Hunderttausenden gar nicht möglich gewesen. Erdogan führe also einen schmutzigen Krieg in Syrien und benutze auch noch die darunter leidenden Zivilisten als politisches Instrument.“  (…)

http://www.theeuropean.de/wolfram-weimer/10683-fluechtlingskrise-stoppen

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