Zeit der Kindsköpfe

Von Michael Klein
„Es war 1977 als Ronald Inglehart die stille Revolution ausgerufen hat. Die stille Revolution beschreibt einen Wertwandel, einen Wandel vom Materialismus zum Post-Materialismus.
InglehartRonald-1977In Anlehnung an Maslow und seine Bedürfnishierarchie, die bei der Befriedigung biologischer Bedürfnisse beginnt und über Sicherheitsbedürfnisse und kognitive Bedürfnisse zur Transzendenz fortschreitet, also spirituellen Bedürfnissen, “sich mit dem Kosmos in Einklang zu bringen”, wie Zimbardo (1994: 415) das formuliert, hat Inglehart eine Entwicklung beschrieben, deren Zeitzeuge er zu sein glaubte.
Die Entwicklung sieht einen Übergang von materialistischen Werte, wie (1) Preisstabilität und (2) Sicherheit, gemessen als Bedürfnis nach Ruhe und Ordnung, zu den post-materialistischen Werten von (3) Mitbestimmung und (4) Meinungsfreiheit. Die Messung des Wertewandels über diese vier Werte hat Inglehart viel Kritik eingebracht, an seiner grundlegenden Beobachtung, dass ein Wertewandel stattfindet, hat jedoch kaum jemand gerüttelt.
Denn: Zu offensichtlich ist der Wandel, der der zunehmenden Sicherheit der Lebensweisen geschuldet ist. Da wo frühere Generationen um ein Dach über dem Kopf und geregeltes Essen kämpfen mussten, wo darauffolgende Generationen für Wohlstand durch das so genannte Wirtschaftswunder gesorgt haben, haben heutige Generationen ein bereits gemachtes Bett vorgefunden und konnten sich, weitgehend bar jeglicher Sorge um ihre materielle Existenz, für die zunehmend der Staat sorgt, auf andere Dinge konzentrieren, ihre Selbstverwirklichung, Mitbestimmung im politischen Prozess, Meinungsfreiheit.
Ingleharts Wertewandel, seine stille Revolution, sie ist damit jedoch nicht am Ende. Wir sind der Ansicht, der Wertewandel ist weiterhin im Gange, er vollzieht sich derzeit vom Postmaterialismus zum Infantilismus.
Infantilismus ist eine Degenerationserscheinung, die wir darauf zurückführen, dass die realen materiellen Knappheiten und die tatsächliche materielle Lage für die meisten Menschen u.a. durch Umverteilung und Transferleistungen so verdeckt werden, dass sie sich keine Sekunde mit Fragen der existentiellen Sicherung befassen. Gleichzeitig sind die postmaterialistischen Werte zur Normalität geworden: Meinungsfreiheit wird als gegeben behauptet und Mitbestimmung als Selbstverständlichkeit angesehen.
Diese scheinbaren Normalitäten und Selbstverständlichkeiten machen den Weg frei für den Infantilismus, der sich vor allem durch zwei Kriterien beschreiben lässt:

  • Bedürfnis-Atomismus und
  • Verlust des Urteilsvermögen.“  (…)

Zum Artikel:

http://sciencefiles.org/2015/08/21/zeit-der-kindskoepfe/

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