„Europa hat nichts gelernt“ – Warum uns eine noch schlimmere Finanzkrise droht

William White war Chefvolkswirt der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, der Zentralbank der Zentralbanken. Im FOCUS-MONEY-Interview warnt er vor einer Wiederholung der Finanzkrise von 2007 und erklärt, warum es sogar noch dicker kommen könnte.  –  Zum Interview:
http://www.focus.de/finanzen/banken/interview-ich-hoffe-die-europaeer-haben-einen-plan-b_id_4009807.html
 
Kommentar GB:
Eine expansive Geldpolitik („easy money“) hat hauptsächlich den Sinn, Illiquiditäten mit Konkursketten und eine dadurch drohende Abwärtsspirale  zu vermeiden. Eine Steigerung der effektiven aggregierten Nachfrage (ein theoretischer Begriff von Keynes) erzeugt sie aber nur, wenn sie zu steigender Kreditvergabe in Verbindung mit privaten oder öffentlichen Investitionen führt. Nötige und mögliche öffentliche Investititionen sind jedoch durch die sogenannte Schuldenbremse (national) und den „Fiskalpakt“ (international) rechtlich blockiert worden. Und die Kredit – Transmission ist u. a. deswegen blockiert, weil die Nachfrage auf der Konsumseite stagniert, und zwar in Abhängigkeit von den Einkommensschichten aus Gründen eines unzureichenden Einkommens oder einer sättigungsbedingten Sparneigung. Die Unternehmen, die normalerweise Kredite aufnehmen , um ihre Investititionen zu finanzieren, investieren nicht nur nicht, sondern erwirtschaften sogar selbst Überschüsse, die brach liegen und auf die Finanzmärkte abfließen. Positive Impulse können wegen der internationalen staatlichen Verschuldung vom Export kaum noch kommen. Der einzige Weg geht somit über die Stärkung des Binnenmarktes, und zwar über die Erhöhung der Lohneinkommen durch Mindestlöhne und Lohnerhöhungen, die keinesfalls mehr wie bisher unter der Rate der Steigerung der Arbeitproduktivität plus Inflationsrate bleiben dürfen. Das ist ja nun sehr spät, aber immerhin doch endlich erkannt worden, wie die Gesetzgebung zum Mindestlohn und wie die jüngsten Äußerungen der Bundesbank und der EZB zeigen. Es ist jetzt Sache und Verantwortung der Tarifparteien, entsprechende Lohn- und Gehaltstarifabschlüsse zu vereinbaren. Die Unternehmerseite muß dazu allerdings über den Schatten ihrer betriebswirtschaftlichen Interessen springen, oder sie muß dazu genötigt werden. Anders geht es nicht. Löhne sind eben zugleich betriebswirtschaftliche Kosten und Teil der gesamtwirtschaftlichen aggregierten Nachfrage. Im übrigen fehlt noch ein Bewußtsein dafür, dass die juristische Blockade der öffentlichen Investititonen gesamtwirtschaftschaftlich schädlich ist. Die Infrastruktur verfällt – wir leben von der Substanz – und sie erfordert dringend erheblich öffentliche Investitionen. Da der Zins bei Null liegt, spricht von dieser Seite nichts gegen öffentliche Infrastruktur-Investititionskredite. Ganz im Gegenteil! Sie sind dringend geboten!
 
 
 
 

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