27.08.2015
U. Kutschera:
„Gender-Forschung“ ist keine Wissenschaft
Am 26. August 2015 wurde ich von einem Wirtschaftswissenschaftler aus Niedersachsen darüber informiert, dass zwei Tage zuvor die Hochschulleitung der Universität Kassel auf eine mir unbekannte Beschwerde des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) reagiert hat. Diese hinterhältige Vorgehensweise, sich an die Uni-Leitung zu wenden ohne mich vorher anzusprechen, ist ärgerlich. Die Studierenden warfen mir in ihrem undatierten Brief vor, ich hätte in einem Interview (rbb, 11.07.2015) die „Gender-Forschung“ diffamiert und „beleidigende Aussagen über Kolleg*innen“ verbreitet. Weiterhin wird mir vorgeworfen, ich hätte die Sozial- und Geisteswissenschaften nicht den Realwissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Geologie) gleichgestellt und diese in abwertenden Worten gekennzeichnet.
Im Antwortschreiben der Hochschulleitung, das mir ebenfalls von dritter Seite verspätet zugesandt worden ist, verweist das Präsidium auf ihren Entwicklungsplan, in dem die Gleichberechtigung und eine Förderung qualifizierter Frauen festgeschrieben ist. Zu diesen Punkten
möchte ich mich wie folgt äußern:
1. Ein Berliner Journalist (Ingo Kahle) hat mich im rbb zu einer naturwissenschaftlichen Stellungnahme bzgl. der „Gender-Studies“ befragt und hierbei die ihm vorliegende 4. Auflage meines UTB-Lehrbuchs Evolutionsbiologie 2015 zugrunde gelegt. Ich habe somit mit Bezug zu diesem Lehrwerk argumentiert. Gemäß der „Gender-Theorie“ kommen Menschen als geschlechtsneutrale Unisex-Wesen auf die Welt und werden danach gesellschaftlich in eine männliche bzw. weibliche Richtung geprägt. Man benötigt kein biologisches Spezialwissen, um die Unsinnigkeit dieses geisteswissenschaftlichen Fundamental-Dogmas durchschauen zu können. Da ich von Herrn Kahle 30 Minuten lang mit derart widersinnigen Thesen (z. B. auch zur angeblich frei wählbaren homoerotischen Veranlagung) konfrontiert worden bin, habe ich, als forschender Biologe mit ca. 10 Buchveröffentlichungen und über 250 Fachpublikationen, so reagiert. Diese Fragen waren offensichtlich als Provokation eingebracht worden.
2. Als international ausgewiesener Biowissenschaftler argumentiere ich ausschließlich auf Grundlage der aktuellen Fachliteratur: Private Meinungsäußerungen kommen in derartigen wissenschaftlichen Stellungnahmen nicht vor. Wie den Lehrenden und Studierenden bekannt ist,
sind heute im Rahmen des Open-Access-Systems viele referierte Fachjournale, wie z. B. PLoS One oder Evolutionary Psychology, frei verfügbar (die Autoren zahlen horrende Page charges, um ihre Leser weltweit kostenfrei informieren zu können). Daher kann sich jeder Interessierte über all jene Punkte informieren, die ich im rbb-Interview, über das Lehrbuchswissen hinaus, geäußert habe –man benötigt nur einen Computer bzw. ein Handy sowie die entsprechenden Suchworte in englischer Sprache und findet sofort alle Fakten.
3. Als ausgewiesener Frauenförderer und Befürworter der Gleichberechtigung qualifizierter Forscherinnen (belegt durch eine Urkunde des Präsidenten der Uni Frankfurt) muss ich Anschuldigungen bzgl. einer angeblichen „Anti-Gleichheits-Politik“ zurückweisen. Ich habe im
Interview lediglich biologische Fakten dargelegt und die Geschlechteridentität hormonell-chromosomal begründet. Weiterhin habe ich darauf hingewiesen, dass kulturell-gesellschaftliche Faktoren zu berücksichtigen sind und dargelegt, dass jegliche Form von Diskriminierung biologisch
nicht zu rechtfertigen ist.
4. Ich stimme mit meinen Kritikern überein, dass es ungeschickt ist, sich zuerst auf Interviews einzulassen, und erst im zweiten Schritt die Faktenlage in Buchform darzulegen. Sämtliche Aussagen im rbb-Interview kann ich durch solide Quellenangaben (UTB-Lehrbuch plus
Fachbeiträge, z. B. in PLoS One oder Evolutionary Psychology) belegen. Es war von mir nicht korrekt, im humanistischen Pressedienst Anfang dieses Jahres die „Gender-Forschung“ als „Universitäre Pseudowissenschaft“ zu bezeichnen und erst 2016 mit einem Kompakt-Fachbuch die
Argumente, Punkt für Punkt ausformuliert und mit Quellen belegt, nachzureichen. Inzwischen habe ich die relevante sozialwissenschaftliche Gender-Literatur durchgearbeitet (bis zur Urquelle „John Money et al. 1955“) und bin entsetzt und verärgert über das, was dort geschrieben steht. Dies ist ein Frontalangriff gegen rational-naturwissenschaftliches Denken, die Biomedizin als Ganzes sowieunsere naturalistische Wissenschaftstheorie. Nur durch eine umfangreiche Darlegung aller Behauptungen sowie deren Widerlegung kann dieser akademische Wildwuchs, den ich mit dem Kreationismus auf eine Stufe stelle, verbal in die Schranken gewiesen werden.“ –