Sex, Gender und die Kindheit

20. Juli 2020
Günter Buchholz
Sex, Gender und die Kindheit
Menschliche Sexualität ist wie alle Sexualität auf die Fortpflanzung bezogen. Das ist eine biologische Tatsache. Im Hinblick auf das Verhalten ist es daher nicht überraschend, daß menschliche Populationen in der Regel zu etwa 95% heteronormal, und nur zu etwa 5% nicht-heteronormal sind. Darunter dürften sich jeweils ungefähr zur Hälfte männliche und weibliche Menschen finden, also jeweils 2 – 3 Prozent, die ein mehr oder minder fixiertes homoerotisches Verhalten als Lebensweise praktizieren. Von diesen ist hier die Rede. Dabei genügt es, neutral von dieser groben statistischen Verteilung auszugehen und die Frage nach den Ursachen auszublenden.
Soziokulturell hat diese biologische bzw. anthropologische Faktenlage dazu geführt, daß Ehe und Familie als zentrale und schützenswerte gesellschaftliche Institutionen angesehen und behandelt werden. Das ist vernünftig, weil von ihrer Existenz und ihrer Qualität die nächste Generation, also die die Zukunft der Population, ihre weitere Existenz also, abhängig ist.
Die mögliche oder tatsächliche Existenz eines Spektrums erotischer Verhaltensweisen ist aus dieser übergeordneten biologischen und soziologischen Perspektive objektiv irrelevant. Subjektiv allerdings ist es nicht abwegig, das erotische Verhalten als zentral wichtig anzusehen, sei es nun mit oder auch ohne Fortpflanzungspotenzial, wie das bei den nicht-heteronormalen Menschen der Fall ist. Darauf beruht die semantische Verschiebung von „Sex“, der biologischen Geschlechtlichkeit als Mann oder Frau, auf „Gender“, der jeweils bevorzugten erotischen Verhaltensvariante als Teil eines Spektrums. Die Definition von „Gender“ als „soziales Geschlecht“ meint genau dies, aber zusätzlich in Verbindung mit einer meist subjektiv gemeinten Identität, die indes aufgrund von Fixierungen so subjektiv gar nicht ist.
Der Gender-Begriff ist allerdings vollständig überflüssig, wenn es darum geht, über Männer und Frauen, über Jungen und Mädchen, über große und kleine Familien, sowie über Sexualität und Fortpflanzung zu reden. Er wird ausschließlich deswegen benötigt und eingeführt, um das minoritäre homoerotische Verhalten als gleichartig und gleichrangig mit dem eigentlichen, dem sexuellen Verhalten erscheinen zu lassen. Das ist jedoch nicht möglich, ohne letzteres in seiner biologischen Besonderheit zu leugnen und zugleich zu entwerten.
Ginge es bei dem von der Europäischen Union übernommenen „Gender Mainstreaming“ nur um das biologische und soziokulturelle Verhältnis der beiden Geschlechter, dann wäre der Gender-Begriff unnötig gewesen. Denn dass das jeweilige biologische Geschlecht soziokulturell immer schon mit unterschiedlichen sozialen Rollen verknüpft war, die historisch selbstverständlich immer weiter entwickelt und verändert worden sind, das ist eine schlichte Trivialität.
Was die männlichen und weiblichen Rollen in historischer Perspektive und bis heute angeht: da ist das jeweilige biologische Sein die Grundlage, auf der sich jeweils unterschiedliche soziokulturelle Rollenkonzepte entwickelt haben. Und nein, diese soziokulturellen Konzepte des Mann-Sein und des Frau-Seins sind nicht selbst biologisch, aber sie haben unhintergehbar eine biologische Grundlage, und deshalb sind sie stets zwar auf unterschiedliche Art und Weise aber doch komplementär aufeinander bezogen, weil das letztlich für die biologische Reproduktion jeglicher Gesellschaft unabdingbar ist.
„Gender“ macht daher als Begriff nur dann Sinn, wenn der verschwiegene Bezug auf die Homoerotik berücksichtigt wird; dieser Bezug ist in „Gender Mainstreaming“ enthalten, und das war so auch intendiert. Die Vorgeschichte und die Geschichte der Weltfrauenkonferenz von Beijing (1995) zeigt genau das. Man sagt „Gender“ oder „Diversity“ und meint „Homoerotik“, die auf diese Art und Weise neutral angesprochen und zur Geltung gebracht werden kann. Nur das ist die sprachpolitische Funktion des „Gender“ – Begriffs, ebenso wie die des – etwas weiteren – „Diversity“-Begriffs.
Nun stellt sich ein doppeltes Problem aus zwei verschiedenen Perspektiven. Aus der heteronormalen Perspektive der Mehrheitsgesellschaft fragt sich, wie mit Nicht-Heteronormalität jeweils praktisch, pragmatisch und humanitär gesehen umzugehen ist. Und für die Nicht-Heteronormalen, die an ihrem So-Sein oder an ihrer gesellschaftlichen Stellung mehr oder weniger leiden, geht es um die Frage, wie sie ihre subjektiv empfundene Lage verbessern können.
Aus gesellschaftlicher Perspektive ist die Antwort: Toleranz, Duldung also, die wiederum mehr oder weniger wohlwollend ausfallen mag. Dies deswegen, weil die praktische Toleranz gewisse Grenzen braucht, aber die Nicht-Heteronormalen wollen heutzutage mehr als Toleranz: sie wollen die Normalisierung ihrer Abweichung: Gleichstellung und Gleichbehandlung und Gleichsetzung von Heteronormalität mit Nicht-Heteronormalität, einschließlich eines angeblichen „Rechts auf ein Kind“ durch Adoption, Samenspende, Leihmutterschaft, usw., und das wird energisch verfochten. Dafür wird nun unter dem Begriff der „Akzeptanz“ geworben, d. h. die Nicht-Heteronomalität soll von den Heteronormalen auch subjektiv positiv bewertet werden.
Das ist das Ziel, das mittels einer Erziehung zur Akzeptanz der Nicht-Heteronomalität angestrebt wird, und daher wird bei der nachwachsenden Generation, den Kindern und Jugendlichen angesetzt. Angriffspunkt ist die bereits vorhandene und unstrittige schulische Sexualaufklärung, die die Anatomie, die Physiologie und psychosoziale Verhaltensweisen insbesondere während der Pubertät in einem heteronormalen Kontext thematisiert. Sie soll nun dahingehend erweitert werden, daß den Kindern und Jugendlichen die Nicht-Heteronormalität in der öffentlichen Kinderbetreuung und in den Schulen als gleichartig und gleichwertig vermittelt werden soll, und zwar teils von Nicht-Heteronormalen selbst.
Von den betroffenen Eltern wird dieser beabsichtigte oder tatsächliche Zugriff bereits auf Kleinkinder und Kinder als „Frühsexualisierung“ bezeichnet und kritisch thematisiert; sie zielt in der frühen, der mittleren und der späteren Kindheit/Jugend pädagogisch – und womöglich darüber hinaus auch praktisch – auf die Vermittlung solcher Einstellungen.
Nicht-Heteronormalität wäre zur Entwicklung von „Akzeptanz“ gesellschaftlich etwas Gutes und Wünschenswertes, und die Heteronormalen hätten Grund zur Dankbarkeit, wenn es denn so wäre.
Daß Nicht-Heteronormale dieses Ziel anstreben, das kann nicht verwundern.
Aber so sehr deren Erwartung von Toleranz berechtigt ist:
hier ist notwendigerweise eine Grenze der Toleranz erreicht. –
 

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