Brexit. Die Nach-Brexit-Zeit hat schon begonnen

02. Oktober 2019

Dr. Gudrun Eussner

Brexit. Die Nach-Brexit-Zeit hat schon begonnen

Während sich britische, deutsche und französische Medien aufhäufeln über den Backstop, die Grenzregelung zwischen Irland und Nordirland nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU, nach dem 31. Oktober 2019, während die Remainer-Abgeordneten und ihre Geschäftspartner in Großbritannien und der EU27 Varianten durchspielen, den Brexit aufzuhalten, bis hin zur Kürung des Unterhaussprechers John Bercow zum Interims-Premierminister, während Boris Johnson ständig neue Verlautbarungen abgibt über Fortschritte in den Verhandlungen mit Brüssel über einen Vertrag zum geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU, während die Schlacht der herrschenden Eliten Großbritanniens gegen Boris Johnson immer mehr derjenigen der US-Demokraten gegen Donald Trump gleicht, sexy Stories inbegriffen, und während alle gespannt der 45-minütigen Rede des Regierungschefs zum Abschluß des Parteitags der Tories, in Manchester lauschen, ab 11:30 am BST, ist in der EU27 die Nach-Brexit-Zeit längst in Arbeit.

Kleiner Grenzverkehr an den Landaußengrenzen. EU. Letzte Änderung 15.06.2014

Es ist nicht nachzuvollziehen, daß der Grenzverkehr zwischen Polen und der Enklave Kaliningrad funktioniert, nicht aber auf der Insel Irland, zwischen EU-Irland und GB-Nordirland.

Der Backstop ist zwar das spektakulärste, nicht aber das wichtigste Thema, sondern es geht um die Zukunft der EU-Militärstrategie, um den Traum von einer Europäische Armee. Frankreich, das nicht in der Lage ist, seine Bürger vor islamischem Terror im eigenen Land zu schützen, wirft sich auf als Führer in der Verteidigung Europas, wobei mit „Europa“ immer die EU gemeint ist, manchmal auch umgekehrt, was weniger friedlich klingt.
Der Platz, der Großbritannien von Frankreich und Deutschland – in dieser Reihenfolge – in dieser Armee zugewiesen wird, entspricht nicht den Vorstellungen derjenigen britischen Politiker, die für den Austritt aus der EU mobilisiert haben.(Hervorhebung GB)

„Vorsicht vor der von der EU kommenden Gefahr für die Unabhängigkeit unserer Verteidigung
(und nicht nur in dem Brexit-Vertragsentwurf)“
Beware the threat to our defence autonomy coming from the EU (and not just in the draft Brexit deal).
By Lieutenant-General Jonathon Riley CB DSO, BREXITcentral, September 5, 2019

Boris Johnson macht seit seiner Wahl durch die Mitglieder der Tory-Partei zum Premierminister, am 24. Juli 2019, unmißverständlich klar, daß Großbritannien in der EU nicht mehr mittun will. Die Brexit Party, die darin noch konsequenter und kompromißlos ist, macht ihren Kollegen in Brüssel durch ihr Auftreten täglich klar, was ein Verbleib der Briten in der EU bedeutet. Dagegen wären die Zeiten Großbritanniens der Margaret Thatcher in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), Vorläufer der EU, als paradiesisch zu bezeichnen.
Der Europäische Rat hat im einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich beschlossen, daß die Verlängerung der Austrittsverhandlungen „keinesfalls über den 31. Oktober 2019 hinausgehen“, daß jeder frühere Austrittstermin willkommen wäre:

BESCHLUSS (EU) 2019/584 DES EUROPÄISCHEN RATES,
im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich gefasst, vom 11. April 2019
zur Verlängerung der Frist nach Artikel 50 Absatz 3 EUV
Rechtsakte ohne Gesetzescharakter. Amtsblatt der Europäischen Union. L101
„(9) Der Europäische Rat stimmte am 10. April 2019 einer weiteren Fristverlängerung zu, um eine Ratifizierung des Austrittsabkommens durch beide Parteien zu ermöglichen. Diese Verlängerung sollte nur so lange wie nötig dauern und keinesfalls über den 31. Oktober 2019 hinausgehen. Der Europäische Rat wies ferner darauf hin, dass das Austrittsabkommen gemäß Artikel 50 Absatz 3 EUV zu einem früheren Zeitpunkt in Kraft treten kann, sofern die Parteien ihre jeweiligen Ratifizierungsverfahren vor dem 31. Oktober 2019 abschließen. Folglich sollte der Austritt am ersten Tag des Monats nach dem Abschluss der Ratifizierungsverfahren oder am 1. November 2019 erfolgen, je nachdem, welcher Zeitpunkt der frühere ist.“ (Hervorhebung GB)
Die Aktivitäten der Remainer-Abgeordneten, vor allem durch das Benn-Gesetz, „The Surrender Act“, das den Premierminister zwingt, eine Verlängerung der Austrittsverhandlungen, bis zum 31. Januar 2020 und, wenn von der EU-Kommission gefordert, darüber hinaus, zu beantragen, kommen Frankreich und Deutschland ungelegen. Nicht, daß ihnen ein willfähriges Großbritannien nicht genehm gewesen wäre, aber diese störrischen Briten, deren Taten für sie unkalkulierbar sind, ist in den Plänen für die Zukunft der EU kein Platz. Es reicht ihnen schon der unberechenbare Donald Trump, mit dem sie nicht fertig werden.

Die Regierungschefs Deutschlands und Frankreichs planen die Zukunft der EU ohne die Briten. Wie schon zur Zeit des Reiches Karls des Großen haben die marginalen Markgrafen und Turktataren südlich und östlich um das Kernland herum zu tun, was der Kaiser befiehlt. Zuletzt wurden zwei von ihnen vorgeschlagene EU-Kommissare abgelehnt, der ungarische und die rumänische. Der ungarische sollte ausgerechnet zuständig sein für die EU-Erweiterung. Die Angelsachsen waren noch nie Teil des Reiches, und so soll es wieder werden. Die EU wird in den kommenden Jahren auseinander fallen, bis dahin aber geht es weiter wie bisher, comme si de rien n’était.
Am Mittwoch, 16. Oktober 2019, werden Angela Merkel und Emmanuel Macron sich für einen Tag in Begleitung mehrerer ihrer Minister zum 21. Ministerratstreffen Deutschlands und Frankreichs in Toulouse treffen. Die Zusammensetzung der Delegationen und die Tagesordnung sind noch nicht bekannt gegeben worden. Der Tagungsort Toulouse, in Okzitanien, ist der Sitz des Rüstungskonzerns AIRBUS, ex-EADS, wo in diesem Jahr das 50-jährige Jubiläum gefeiert wird. Welch ein Zufall!
Der Ministerrat tagt einen Tag vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU28, auf dem Boris Johnson seine Vorschläge über einen revidierten Austrittsvertrag vorstellen soll. Davon ist in den wichtigsten Tagesordnungspunkten, verteilt am 9. September 2019, nichts vermerkt. Es geht um den langfristigen EU-Haushalt, die strategische Agenda 2019 bis 2024, den neuen EZB-Präsidenten und die neue EU-Kommission. Oder wird der Brexit behandelt unter „III Sonstiges. Je nach Lage der Dinge wird sich der Europäische Rat möglicherweise mit spezifischen außenpolitischen Fragen befassen“?

Man kann davon ausgehen, daß in den letzten Monaten zwischen der EU-Kommission und Großbritannien Absprachen über die weitere militärische Zusammenarbeit in der NATO und zwischen der EU27 und Großbritannien getroffen wurden. In der EU ist Michel Barnier zuständig für die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. In dieser Eigenschaft war er offizieller Verhandlungsführer. (Hervorhebung GB)
Es bleibt trotzdem spannend, wie im einzelnen der Austritt, am 31. Oktober 2019, stattfindet.

Der letzte Stand des Betruges an den britischen Wählern immer hier:

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