Brexit. Was die Mitgliedschaft in der EU bedeutet

13. April 2019

Dr. Gudrun Eussner

Eine kleine Nachricht in meiner Lokalzeitung Indépendant, vom 12. April 2019, schafft es nicht ins Internet, aber den Text findet man dort reichlich. Man sieht, worum es Frankreich bei der EU geht, und warum die Briten da mehrheitlich hinaus wollen:

„Vereinigte Staaten. Frankreich wird im Zusammenhang mit den wiederholten Handelsdrohungen Donald Trumps und des angekündigten Austritts der Vereinigten Staaten aus dem Klimaabkommen von Paris wegen gegen die Eröffnung von Wirtschaftsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten stimmen.“

Le Point berichtet aus dem Präsidentenpalast, daß Frankreich, in Brüssel, am 15. April 2019, möglicherweise allein mit dieser Entscheidung sein werde und kein Vetorecht habe, eine qualifizierte Mehrheit reiche aus, die Europäische Kommission mit den Verhandlungen zu beauftragen.

Das ist Emmanuel Macron selbstverständlich bekannt.

„Allein Frankreich ist gegen die Eröffnung von Wirtschaftsverhandlungen EU/USA (Elysée)“
La France s’oppose seule à l’ouverture de négociations commerciales UE/Etats-Unis (Elysée). AFP

Die EU-Kommission weiß: „Die Europäische Union und die Vereinigten Staaten haben die größte bilaterale Handels- und Investmentbeziehung und erfreuen sich der am meisten integrierten Wirtschaftsbeziehung der Welt.“

Auch das ist Emmanuel Macron selbstverständlich bekannt. Er mißbraucht diese Beziehungen zu innenpolitischen Zwecken, vor allem kurzfristig für die Wahlen zum EU-Parlament, zur Propagierung von Ideologie, in dem er sich anti-amerikanisch bzw. gegen Donald Trump profiliert. Die Verhandlungen werden trotzdem beginnen. Man wird eine entsprechende Notiz zu den Akten heften. Statt für Frankreich und für die EU Außen- und Wirtschaftspolitik zu betreiben, moralisiert er nicht nur die USA und brüskiert deren Präsidenten, sondern er belehrt auch die anderen EU-Mitgliedsstaaten, die sich erdreisten, Wirtschaftsverhandlungen zu führen; er setzt sie ins Unrecht.

Das mag der Bundeskanzlerin recht oder gleichgültig sein, aber es finden sich unter den 26 restlichen Staaten gewiß einige, denen es nicht paßt.  Nicht, daß sie besonders begeistert von Donald Trump wären, aber sich von Emmanuel Macron maßregeln zu lassen das wird sie noch weniger begeistern.

Für die Briten sind solche Mätzchen auf Kosten der anderen ein Grund mehr, die EU zu verlassen.

Immanuel Kant (1724 – 1804) beschreibt die Briten so, 1796/97:

„Das Englische Volk. Der alte Stamm der Briten (eines Celtischen Volks) scheint ein Schlag tüchtiger Menschen gewesen zu seyn; allein die Einwanderungen der Deutschen und des französischen Völkerstammes (denn die kurze Anwesenheit der Römer hat keine merkliche Spur hinterlassen können) haben, wie es ihre vermischte Sprache beweiset, die Originalität dieses Volks verlöscht, und da die insularische Lage seines Bodens, die es wider äußere Angriffe ziemlich sichert, vielmehr selbst Angreifer zu werden einladet, es zu einem mächtigen Seehandlungsvolk machte, so hat es einen Charakter, den es sich selbst anschaffte, wenn es gleich von Natur eigentlich keinen hat. Mithin dürfte der Charakter des  Engländers wohl nichts anders bedeuten als den durch frühe Lehre und Beyspiel erlernten Grundsatz, er müsse sich einen solchen machen, d. i. einen zu haben affectiren; indem ein steifer Sinn, auf einem freywillig angenommenen Princip zu beharren und von einer gewissen Regel (gleich gut welcher) nicht abzuweichen, einem Manne die Wichtigkeit giebt, daß man sicher weiß, wessen man sich von Ihm und Er sich von Anderen zu gewärtigen hat.

Daß dieser Charakter dem des französischen Volks mehr als irgend einem anderen gerade entgegengesetzt ist, erhellt daraus: weil er auf alle Liebenswürdigkeit, als die vorzüglichste Umgangseigenschaft jenes Volks, mit anderen, ja sogar unter sich selbst Verzicht thut und blos auf Achtung Anspruch macht, wobey übrigens jeder blos nach seinem eigenen Kopfe leben will. …“

Immanuel Kant: Anthropologie in pragmatischer Hinsicht abgefaßt von Immanuel Kant
Der Präsident Frankreichs Charles de Gaulle, „Der Hahn krähte„, bemerkt zur Begründung seiner Ablehnung des britischen Antrages auf Aufnahme in den Gemeinsamen Markt, auf einer Pressekonferenz, am 14. Januar 1963, in anderen Worten ähnliches:
“England in effect is insular, she is maritime, she is linked through her exchanges, her markets, her supply lines to the most diverse and often most distant countries; she pursues essentially industrial and commercial activities, and only slight agricultural ones. She has in all her doings very marked and very original habits and traditions.”
Brexit SHOCK: How Charles de Gaulle was ALWAYS right about Britain’s EU membership
By Martina Bet, EXPRESS, December 14/15, 2018

Eine Woche später, am 22. Januar 1963, unterzeichnet er mit Konrad Adenauer den Elysée-Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit.

Emmanuel Macron will den Briten, am 8. April 2019, keine weitere Verlängerung ihres Brexit-Theaters gewähren. Diese einmal vernünftige Entscheidung in die Tat umzusetzen, wird er von der Bundeskanzlerin und von EU-Kommissionspräsident Donald Tusk gehindert. Letzterer erklärt der polnischen Presse gegenüber, es sei ihm ein Herzenswunsch, wenn die Briten in der EU blieben.
Das wird sowohl den Briten als auch den anderen 27 Staaten der EU demnächst leid tun.

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Zum Brexit, aber aus einer anderen Perspektive

von Wolfgang Herles
(…) „Heute ist die Welt weniger gespalten als im Kalten Krieg, dafür sind es die demokratischen Gesellschaften im Inneren umso mehr. Die Demokraten gefährden ihr eigenes, im Wettstreit einst überlegenes System. Weshalb? Weil illiberale, undemokratische, autoritäre, sozialistische Dogmen in ihnen selbst wuchern. Es ist nicht mehr die Welt erkennbar gespalten, sondern die Demokratien sind vom für überwunden geglaubten Spaltpilz infiziert.
Die wahre, tiefste und gefährlichste Spaltung ist die zwischen liberalen Verantwortungs- und dogmatischen Gesinnungsethikern.
Freiheit contra Moralkeule, Selbstbestimmung contra Enteignung. Diese Spaltung überschreibt das alte rechts-links Schema. Wo Gut und Böse zum Prinzip von Politik gemacht werden, ist ein vernünftiger Ausgleich von Interessen nicht mehr möglich. Der größte Kampfplatz dieser neuen-alten Systemschlacht ist die Klimapolitik.“

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