Von Jürgen Fritz, Fr. 22. Mrz 2019
„Kennen Sie das: jemand hat etwas für sich innerlich als gut oder schlecht bewertet und möchte nun überhaupt nichts sehen oder hören, was sein einmal gefasstes Urteil in Frage stellen könnte? Gegen jedes andere Urteil, gegen alle Fakten und Argumente kapselt er sich regelrecht ab und würde am liebsten allen, die seine Sicht in Frage stellen, den Mund verbieten, um selbst nicht hören zu müssen. Wo rührt dieses Muster her, was liegt ihm im Innersten zu Grunde und inwiefern ist dies eine riesige Gefahr für die geistig offene Gesellschaft?“ (…)
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„Das wichtigste Ziel in unseren Schulen und Hochschulen, welches seit geraumer Zeit immer mehr vernachlässigt zu werden scheint, muss daher sein: bei jedem einzelnen eine möglichst hohe Urteilskompetenz zu entwickeln. Oder wie Immanuel Kant es mal formulierte: Der Student der Philosophie soll nicht Gedanken (anderer), sondern (selbst) denken lernen; man soll ihn nicht tragen, sondern leiten, wenn man will, dass er in Zukunft von sich selbst zu gehen geschickt sein soll.
Um diese Selbst-Denken und diese Urteilskraft zu entwickeln, bedarf es aber eines offenen Geistes. Dieser wiederum kann sich nur entwickeln in einem Klima der geistigen Offenheit, in welchem offen gedacht und offen gesprochen werden kann, in welchem keine sogenannte „politische Korrektheit“, keine religiösen oder politisch-ideologische Dogmen, keine „religiösen Gefühle“ einzelner – meist mit sehr geringer Urteilskompetenz – die gesamte Gesellschaft dominieren und jedem enge Grenzen ziehen, was er noch denken und sagen darf und was nicht mehr, womit sie letztlich die ganze Gesellschaft in ein geistiges Gefängnis verfrachten.
Genau diese geistige Offenheit wiederum – und nicht offene Staatsgrenzen – kennzeichnet eine offene Gesellschaft, welche sich nach außen davor schützen muss, dass immer mehr solche einströmen, die zum einen über kaum Urteilsvermögen verfügen, die sich also selbst geistig-moralisch eher bei 0,1 oder 0,2 befinden, dabei aber meinen, sie allein wären bei 1 und alle anderen bei 0, die ein vollkommen geschlossenes, rückständiges, ja primitives Weltbild in sich tragen, welches sie auch noch überall zu verbreiten trachten, die mithin alle anderen auf ihr geistiges Niveau herabziehen möchten und überall geistige Grenzzäune zu errichten versuchen, mithin die geistig offene Gesellschaft von innen heraus zerstören, so man sie gewähren lässt und ihnen nicht Einhalt gebietet.“
Warum die geistig offene Gesellschaft sich nach außen schützen muss