Prof. Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer

Buchbesprechung

von Michael Mansion

Ja,–warum schweigen sie wohl?

Der Autor wendet sich scharfsinnig der Sprache und ihrer ganzen Begrifflichkeit zu, wo sie als Umdeutung, Verschleierung, als Herrschaftssprache und reaktionärer Neusprech daher kommt.

Unser Wahrnehmungssystem benötigt eine Geschichte von Kausalzusammenhängen, einen Bedeutungszusammenhang. Ein bewusstes Fragmentieren von Fakten löst dagegen die Sinnzusammenhänge auf. Der Sinn geht verloren.

Die Wähler – so der Autor – haben längst keinen ernsthaften Einfluss mehr auf politische Entscheidungen. Eine Zuschauerdemokratie hält die Illusion von Demokratie aufrecht.

Mit Bezug auf den US Politikwissenschaftler Harold Lasswell, sei Demokratie im Grunde nur erwünscht, wenn sie sich im Einklang mit den Entscheidungen der herrschenden politische Klasse befindet. Dass dies gewahrt wird, setze eine fortlaufende Propaganda voraus. Eine Scheindemokratie, die von einem Meinungsmanagement lebt und gesteuert wird.

Nach außen unsichtbare oder schwer auszumachende Netzwerke konstituieren die „eigentliche“ Herrschaftsmacht und erzeugen Sachzwänge.

Eine Flut von medialen Infos sorgt für eine Pseudo-Informiertheit, wie man sie vor allem in den Reihen der sog. „gebildeten“ Schichten findet, die sich als besonders anfällig für solche Illusionen erweisen.

So werden etwa mit dem Begriff des „Verantwortbaren“ jene gesellschaftlichen Ränder markiert, die nicht überschritten werden dürfen.

Zugleich gilt das Gebot des sich Unsichtbarmachens stets dort, wo eigene ökonomische und militärische Interessen vorrangig scheinen, während die Steuerung des Mainstreams zwischen Meinungs- und Empörungsmanagement oszilliert.

Der Autor nennt Fakten, zu medial verschwiegenen, sowie aus seiner Sicht umgekehrt völlig überzogenen Darstellungen, die bei der Bevölkerung zu den erwünschten Reaktionen führen sollen. Der Spannungsbogen zwischen dem „Terroristen“ und dem „Freiheitskämpfer“, wird in seiner Ambivalenz zu einer wertenden Zuordnung unterschiedlicher ideologischer Befindlichkeiten, deren Ziel auf Stabilisierung oder Destabilisierung abzielt.

Wenn die westliche Welt – wie der Autor unterstellt – nicht „wirklich“ demokratisch zu nennen ist, dann verliert sie zweifellos ihren moralisch formulierten Herrschaftsanspruch.

Dies wiederum muss umgekehrt nicht bedeuten, dass politische Kulturen, die offen antidemokratisch und in einem repressiven Sinne autoritär sind, einen Anspruch auf Gleichwertigkeit (mit den formalen Demokratien) erheben können, was sich bekanntlich hinter der Antidiskriminierungsforderung verbirgt.

Die Demokratie, bzw. ihre Befürwortung, ist (wie der Staat) ein Instrument für die Schwachen in einer Gesellschaft. Für den oder die Starken bedeutet Demokratie stets Einschschränkung und Eingrenzung. Sie haben deshalb an ihr höchstens ein plakatives Interesse – so der Autor – und sind bestrebt, sie (die Demokratie) durch ein Demokratiemanagement zu ersetzen.

Obwohl nach einer Gallup-Umfrage von 2015 die Mehrheit der West-Europäer der Meinung ist, der Grundgedanke der Demokratie werde nicht verwirklicht, zeigt eine ARD-Umfrage von 2016, dass 55 – 60% der Anhänger von Volksparteien mit der Regierungsarbeit zufrieden sind.

Dass dabei 68% von ihnen die Parteien wieder wählen würden, welche für die derzeitige Situation verantwortlich sind, ist dabei schon überraschend, wenn diese Parteien – so der Autor – zugleich 236 (es ist viel mehr) Milliarden in der Bankenrettung versenken, den Überwachungsstaat ausbauen, wofür sie erst die Voraussetzungen geschaffen haben, sowie die Militarisierung der EU und die NATO-Ost-Erweiterung voran treiben.

Die „Eliten“ rüsten gegen das eigene Volk, das sie zuvor nicht gefragt haben.

Ein ihren Entscheidungen vorauseilendes Meinungsmanagement sorgt für konsensuale Einstimmung und verhindert wirkungsvoll Revolten. Soft Power als eine Form psychologischer Kriegführung.

Je mehr eine Demokratie im Volk an Attraktivität gewinnt, um so mehr sind die Herrschenden gehalten, dies ideologisch zu unterlaufen.

„Wenn es ernst ist, muss man lügen und in der Politik ist es immer ernst“ (Jean Claude Juncker).

Währenddessen sind die Leitmedien um politische Lethargie bemüht, um einen Zustand, in dem es unmöglich geworden ist, eigene Urteilskraft zu entwickeln.

Die Konstruktion gedanklicher Sperrgebiete erscheine dann in Form von verbalen Kontaminationen und Pathologisierungsbegriffen.

Dass sich der Autor beim Thema Antiamerikanismus auf die Begrifflichkeit eines „kulturellen Rassismus“ einlässt, ist bedauerlich, weil es gerade diese Begrifflichkeit ist, die aktuell einen nicht wieder gut zu machenden Schaden anrichtet. Davon wird noch die Rede sein.
Es ist zudem wohl so, dass sich der Antiamerikanismus nicht nur in Teilen der sog. „völkischen Rechten“ und in einem nationalistischen Souveränitätsdiskurs findet, welcher seinerseits einer umfangreichen Erklärung bedürfte. Er findet sich auch in den Reihen der traditionellen Linken und ihrem antiimperialistischen Credo.

Wenn der Autor dem sog. Rechtspopulismus unterstellt, er meine beim Begriff Volk nicht etwa ein Staatsvolk, sondern einen quasi „homogenen Volkskörper“, dessen Identität durch kulturelle und nationale Identitäten und Konzepte eine Fiktion sei, so bewegt er sich – vermutlich oder hoffentlich ungewollt – auf den Spuren von Fr. Aydan Özoguz oder Robert Habeck, wenn diese unterstellen, es gäbe außer der Sprache keine nachweisbare nationale Identität. Nicht nur Althistoriker würden hier vehement widersprechen.

Der Autor sieht derweil die von den Machteliten direkt oder indirekt finanzierten sog. NGO´s als in einer besonderen Weise identitätsstiftend, weil sie als Meinungs- Empörungs- und Partizipationsmanagement eine Schlüsselrolle bei der Meinungsbildung vor allem im Umfeld des gesellschaftlichen Mittelstandes einnehmen, wo moralisch philantropische Ziele von den real existierenden Problemen vor der Haustür ablenken sollen.

Die repräsentative Demokratie als Modellfall einer Pseudo-Demokratie, sieht der Autor außerhalb des authentischen Demokratieprinzips im Sinne seiner Leitidee.

Es entsteht so eine Illusion von Volkssouveränität.

Das „alternativlose“ Postulat einer repräsentativen Demokratie, verhindere wirksam die möglichen Formen einer partizipatorischen, deutlich radikaleren Demokratieform. Eine Verhinderung erfolgt mit Hilfe besonders geächteter Denkbereiche, die medial in Stellung gebracht werden.

Nach solche klaren und unmissverständlichen Äußerungen verwirrt derweil, wenn der Autor eine völkische Rechte ausmacht und beschwört, der es bei aller Kritik nicht um die Umsetzung von Demokratie, sondern um ihre Abschaffung, im Sinne einer von ihr inszenierten Gegenaufklärung geht. Wen meint er damit? Die AfD, die das deutlich von sich weisen wird? Da mag es bei einigen Vertretern ein Gedankengut geben, das man eventuell völkisch nennen darf, aber erstens gibt es das auch noch sonstwo und zweitens ist es als eine stringente Parteilinie nicht erkennbar.

Dass medial versucht wird, Opposition im Sinne der herrschenden Eliten zu schwächen, hat der Autor zweifelsfrei erarbeitet. Aber warum sollte das im Falle dieser Opposition denn anders sein?

Warum wird nicht erkannt, dass der offensichtlich überwiegende Teil derjenigen, die sich politisch gerne links positionieren, in eine von ihnen selbst gebaute ideologische Falle getappt ist, indem sie die Kritiker des muslimischen Antiliberalismus und Antidemokratismus pauschal als Fremdenfeinde und Rassisten denunzieren, wofür es des abenteuerlichen Konstrukts eines kulturalistischen Rassismus je erst bedurfte?

Recht hat der Autor dann wieder, wenn er die „eigentlichen Zentren im Machtbereich einer repräsentativen Demokratie“ als unsichtbar bezeichnet. Der Veränderungswille des Volkes soll auf Ablenkziele gerichtet werden. Sich andere „Hirten“ für die „Herde“ zu wählen bleibt sehr beschränkt.

Die systematische Entleerung der repräsentativen Demokratien von wesentlichen demokratischen Elementen und ihre autoritäre Transformation, sind bereits vor Beginn der neoliberalen Revolution mehrfach aufgezeigt worden, so der Verfasser.

Der autoritäre Staat rechtsstaatlichen Typs entsteht.

Karl Jaspers wird mit seiner Äußerung von 1964 zitiert, „wonach in Deutschland der Zerfall einer Demokratie zu beobachten sei, die eigentlich noch garnicht richtig da war“.

Die neoliberale Revolution hat einen Zerstörungsprozess von Demokratie vollendet, der lange zuvor begonnen hatte.

Die sog. Eliten können ihre Entscheidungen, bzw. deren Auswirkungen als unumstößliche Naturgesetze verkaufen, die einem fiktiven „Freien Markt“ gehorchen. Ein System organisierter Verantwortungslosigkeit!

Der Autor spricht von der systematischen Verrechtlichung einer organisierten Kriminalität der besitzenden Klasse.

Die großen Akteure versuchen hierbei, durch besondere Vertragsklauseln und Vereinbarungen Sonderrechte geltend zu machen, die auch Klagen gegen Staaten wirkmächtig werden lassen.

Der Autor vertritt dabei eine interessante These, wenn er den Neoliberalismus und den Rechtspopulismus als ideologische Zentren der Gegenaufklärung bezeichnet, indem er einen beiderseitigen Hass auf 1789 ausfindig gemacht haben will. Das vermittelt sich nicht zwingend erhellend!

Wenn der Neoliberalismus – so der Autor – eine besonders hohe Ausformung des Kapitalismus ist, dann ist dessen expansives Verhalten machtpolitisch durchaus erklärbar. Es ist kaum anzunehmen, dass Marx das anders gesehen hätte.

Der sog. Rechtspopulismus, dem aktuell jede auch fundierte Kritik, sowohl an der muslimischen Massenzuwanderung, als auch an einer verfehlten EU-Politik als antieuropäisch und menschenfeindlich unterstellt wird, kann deshalb keinesfalles pauschal als antiaufklärerisch definiert werden, sehr wohl jedoch das Schweigen des übergroßen Rests der „Herde“.

Die Gegenaufklärung läuft medial in fast allen großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen und selbstverständlich im TV. Nicht umsonst verzeichnet die Neue Züricher Zeitung einen veritablen Leserzuwachs.

Die Indoktrinationsmaschine läuft, wie der Autor mehrfach richtig unterstellt, mit Fehlinformationen in therapeutischen Dosen. Das Code-Wort „Neue-Soziale-Marktwirtschaft“ steht für den Zeitgeist einer angeblichen Entbürokratisierung deren „Reformen“ der Leitfaden einer Entsozialisierung und Entsolidarisierung sind, fehlgeleitet von den theoretischen Absurditäten eines Selbst-Regulativs des „Freien Marktes“.

Interessant in diesem Zusammenhang der Hinweis des Autors auf die Agrarsubventionen in den USA und der EU, die wirkungsvoll einem freien Markt entgegenwirken.

Die Akzeptanz des Neoliberalismus durch Bevölkerungsmehrheiten trotz dessen zerstörerischer Tendenz, sieht er als eine Folge fortgesetzter Indoktrination.

Dabei werden Prozesse von Empörung und Unbehagen in eine nur begrenzt wirkungsvolle Bahn geleitet, wenn lediglich „die da oben“ im Focus stehen.

Es müsse darum gehen, strukturelle Einsichten gewinnen zu können. Das Standardmodell einer kapitalistischen Demokratie weise den Bürgern die Rolle von Konsumenten in einem doppelten Sinne zu, welche die Akzeptanz der nicht eigenen politischen Vorgaben ebenso voraussetzt, wie die Bereitschaft zum Trost im Konsum.

Es wird die Illusion einer demokratischen Kontrolle trotz ausufernder Sicherheitsbürokratie aufrecht erhalten. Begriffe wie Strukturreform und Bürokratieabbau kommen positiv daher und bedeuten in Realitas stets eine Verschlechterung bisheriger Zustände.

Obwohl das Misstrauen gegenüber den Medien zugenommen habe, hätten diese nach wie vor eine erstaunlich hohe Glaubwürdigkeit, was, so der Autor, einer massiven Indoktrination geschuldet sei. Es bedürfe bei dieser Form der Herrschaftssicherung keiner Verschwörung. Es handelt sich um eine logische Folge, aber die Leitmedien hätten bei der Vermittlung eines transatlantischen Weltbildes jedes Maß verloren.

Begriffe wir Bewusstseinsindustrie (Enzensberger) oder Kulturindustrie (Adorno) wirken eher verharmlosend. Wesentliche, für das politische Bewusstsein notwendige Fakten, werden medial verschleiert und nur so lässt sich die weitestgehend passive Haltung der Bevölkerung erklären.

„Eine planmäßige Zerstörung des Sozialstaates wäre in einer Demokratie ohne planmäßige Vergiftung der Sprache und des Denkens nicht möglich gewesen“.

Eine nachgerade orwellsche Neubestimmung ursprünglich positiv besetzter Begriffe hat längst stattgefunden.

Durch die „Prekarisierung der Lohnarbeit“ (Butterwegge) und die damit verbundenen Abstiegsängste, lässt sich zugleich auch der Mittelstand disziplinieren.

Der Autor konstatiert kritisch für die aktuelle Linke eine „Kehrtwende zu einem progressiven Neoliberalismus“ und beklagt den Verlust des öffentlichen kritischen Intellektuellen, dessen Abstinenz die Verlierer der „herrschenden Ordnung“ verrät und einer Vereinnahmung durch rechtsnationale und rechtspopulistische Bewegungen überlässt.

Linke Salonintellektuelle teilten zudem mit den Machteliten die Verachtung für das (dumme) Volk.

Es ist interessant, dass der Autor offenbar nicht den Eindruck hat, die Linke habe das Projekt des Sozialen, längst (mit gleichzeitigem Verzicht auf politische Vernunft), gegen einen zeitgeistlichen Moralismus getauscht, was sich im aktuellen Diskurs mehr als deutlich vermittelt.

In trauter Eintracht mit dem Projekt der Herrschenden, ist die Linke daran beteiligt, das Spektrum der akzeptablen Meinungen einzugrenzen und leistet deshalb (wissentlich?) einen antiaufklärerischen Beitrag zum Erhalt der bestehenden Machtverhältnisse. Der Idee vom mündigen Bürger wird von links die Substanz entzogen.

Wirkliche Demokratie sagt der Autor mit Verweis auf Chomsky und Dewey, ist unter den Bedingungen eines seinem Wesen nach antidemokratischen Konzernkapitalismus unmöglich, wobei er dafür noch eine ganze Reihe von Statthaltern hätte benennen können.

So gesehen ist dieses Buch eine radikale Kapitalismuskritik in durchaus Marx´scher Tradition, die man ernst nehmen muss und eine wohltuende Abwechslung zum pseudolinken Humanitarismus.

Die zentrale Denkfigur des Neoliberalismus, ist die Ideologie von seiner Rationalität.

Das bereitet den Boden für die Entmachtung des Souverän, die Abwicklung der demokratischen Strukturen und die nachgerade vollständige Entmachtung von Legislative und Exekutive, sowie ihre Preisgabe an wirtschaftliche Interessengruppen, nebst deren direktem Einfluss auf die Gesetzgebung.

Lobbyismus und Korruption werden durch Institutionalisierung unsichtbar gemacht.

Während sich die Kartellparteien unisono als politische Mitte deklarieren, entleert sich der öffentliche politische Raum.

Das Phantom der Mitte steht für den Autor stellvertretend für die Entstehung des sog. Rechtspopulismus, der seiner Meinung nach Gemeinschaft dort verspricht, wo die neoliberale Ideologie diese leugnet.

Dass sich die angestaute Wut und Empörung deshalb an den Wehrlosen dieser Gesellschaft abarbeitet, muss ebenso kritisch hinterfragt werden, wie die Unterstellung, dass neoliberale Ideologie und Rechtspopulismus in trauter Eintracht in der Tradition einer Gegenaufklärung stehen.

Richtig ist, dass der Typus des traditionellen Intellektuellen, der die Steigleiter angepasster Sozialisation hinter sich gebracht hat, in der Regel der Lieferant ideologischer Rechtfertigungen für die Herrschenden ist.

Verwunderlich allerdings, wenn der Autor auf Seite 207, CDU/CSU und AfD nicht nur im neoliberalen Konsens, sondern auch hinsichtlich einer autoritären Innenpolitik (?) und einem, mal offen, mal versteckt und gut kaschiertem Nationalismus und Kulturrelativismus (?), bis hin zu der Vorstellung eines deutschen „Volkskörpers“, den es vor Fremdeinflüssen zu schützen gilt, in einem Boot sieht.

Da macht er ein Fass auf, in dem wenig bis nichts drin ist, weil die von ihm ebenfalls negativ konnotierte Leitkulturdebatte sehr wohl und gerade vor dem Hintergrund gemeinsamer demokratischer Werte und ihrer mühsamen Entstehung durch Aufklärung bedeutsam und wünschenswert wäre.

Wenn nämlich der hier ungenannte Kulturrelativismus der Pseudo-Linken zu einer weiteren Anbiederung an den vormodernen, antidemokratischen und antiliberalen Islam führt, dann wird diese durchaus keineswegs gute, der muslimischen Herrschaftskultur jedoch weit überlegene Demokratie empfindlichen Schaden nehmen!

Wenn dann dem Autor offensichtlich auch der Begriff einer nationalen Identität so unheimlich ist, dann sei ihm empfohlen, sich bei unseren muslimischen Alt- und Neubürgern umzusehen, was zu der Erkenntnis führen muss, dass sie es sind, die ganz offensichtlich ihre kulturelle Identität in Parallel und Gegengesellschaften leben wollen.

So denn die Bezeichnung Antisemit für den Autor wirklich eine „nukleare“ Beschimpfung darstellt, wäre doch der wissenschaftliche Beweis leicht zu führen, wer ihn (den Antisemitismus und Judenhass) wieder eingeführt hat, weil es nicht sein kann, dass er als deutlich steigende Tendenz angeblich in der autochtonen Bevölkerung (grundlos) gewachsen sein soll. Was hätte denn hierfür die Ursache sein sollen?

Der Autor desavouiert seine eigene Arbeit mit der Unterstellung, die Kartellparteien hätten im Zuge des Asylkompromisses eine Hetze gegen Flüchtlinge und eine Mobilisierung von Rassismus und Nationalismus betrieben. Das ist schlicht unrichtig.

So diffamiert er selbst unterschiedslos und mit den von ihm beschriebenen und kritisierten Mitteln der Sprachverwirrung alle Kritiker einer nach wie vor weitestgehend ungeregelten muslimischen Zuwanderung.

Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum die zunehmende Unterschiedslosigkeit der Links/Rechts-Denkfigur, einer neoliberalen Indoktrination zu verdanken sei.

Es ist die historische Aufgabe einer Linken in der Moderne, angemessene, soziale und partizipatorische alternative Gesellschaftsmodelle zu entwerfen und zu entwickeln. Das leistet sie aber nicht, wird selbst zum Teil des Problems und verliert ihr Erkennungszeichen.

Einen universellen Humanismus (den es nicht gibt) ausschließlich links verorten zu wollen, scheint auch ein wenig gewagt, weil es ja auch unterstellt, konservatives Denken sei nur sehr eingeschränkt human konnotiert.

Es verwundert auch, wenn ein über weite Strecken stringent marxistisch argumentierender Autor, eine oder die Linke im Sinne ihrer Deutung nicht auch marxistisch begreifen will bzw. die dort nicht oder kaum vorfindlichen marxistischen Denkkategorien offensichtlich für unerheblich hält.

Was auch soll im weiteren Verlauf einer Linksdeutung der Hinweis auf den Bolschewismus (Seite 210) Leninscher Prägung, als „einer Ideologie von Elite und Masse“ (?), die er (also Lenin) revolutionär umgedeutet habe. Was war denn da umzudeuten in einem unterentwickelten Agrarstaat? Niemandem waren die Probleme bewusster als gerade Lenin.

In Bezug auf die Agenda 2010 liefert Prof. Mausfeld eine der ihn auszeichnenden klugen und radikalen Reflexionen. Diesem Ereignis sei eine bislang einzigartige Kampagne der politischen Mitte voraus gegangen. Es ging um einen gesellschaftlichen Konsens für das Ermöglichen von massivem Sozialstaatsabbau ohne großen Widerstand.

Auf der Seite 242 kommt er nochmals auf das zu sprechen, was er unter Rassismus versteht. Er zitiert Immanuel Wallerstein und seine Theorie einer kapitalistischen Konnotierung des Rassismus-Begriffes. Das macht aber nur Sinn im Hinblick auf damit verbundene Ausbeutungsabsichten. Der „unwerte“ Mensch darf geschunden werden.

Dass jedoch die angebliche Existenz eines antiislamischen Rassismus eine wesensmäßige Andersartigkeit von Muslimen bewusst nur unterstellen will, wo doch offenbar keine bedeutsamen kulturellen Unterschiede festzustellen waren, was dann wiederum in der Absicht einer Legitimation von Herrschaft geschieht, ist – vorsichtig formuliert – kurios.

Dem Autor dieser Zeilen ist niemand bekannt, der ernsthaft behaupten würde, es gäbe ethnisch „reine“ Staaten. Die aktuellen Probleme sind ja auch nicht dadurch entstanden, dass die Einwanderer einer anderen ethnischen Gruppe angehören. Sie sind einzig und allein durch das anmaßende, streckenweise gewalttätige, übergriffige und seinem Wesen nach demokratiefeindliche Verhalten von Muslimen entstanden, welche die Kultur der Ungläubigen, von der sie massiv profitieren, als vorwiegend feindlich definieren. Das ist das ganze Geheimnis.

(Hervorhebung GB)

Die Einsicht von kulturellen Unverträglichkeiten, vermittelt sich historisch u.a. durch Kriege die geführt wurden und man darf darüber streiten, ob wochenendliche Randale in französischen Städten, einhergehend mit dem Verlust von etwa 170 Stadtteilen an die muslimische Community, die dort ihr eigenes Recht praktiziert, nicht bereits eine Form von Bürgerkrieg ist.

Die verheerende Idee einer Überwindung der Nationalstaaten durch führende Kräfte der EU, mit der Folge, dass Rechts- und Sozialstaatlichkeit im herkömmlichen Sinne einer nationalen Tradition und Verfasstheit verschwinden würden und ohne den Fakt, dass es ein irgendwie amorphes europäisches Gesamtvolk überhaupt gibt, bereitet einem Desaster den Boden.

(Hervorhebung GB)

Der Autor zitiert Frantz Fanon, wonach sich zwischen die Ausgebeuteten und die Macht eine Schar von Predigern und Morallehrern schiebt, die für Desorientierung sorgen, wie treffend anzuwenden wäre mit Bezug auf alle jene, die politische Vernunft längst durch Humanitarismus ersetzt haben, aber die meint der Autor leider nicht.

Hier wird das Zitat auf den Kopf gestellt. Der erneut bemühte kulturalistische Rassismus, dessen Existenz vom Autor in Szene gesetzt wird, als vertrete er die Bundeszentrale für politische Bildung, ist dann ganz plötzlich ein Rassismus ohne Rasse, womit sich der Autor selbst widerlegt, was er eigentlich hätte merken müssen. (Hervorhebung GB)

Sein abschließend großer Beitrag zum Thema Folter ist ein ernstes Anliegen und verdient Beachtung, rückt dieses makabere Thema doch nur dann in den Focus der Öffentlichkeit, wenn es undichte Stellen im System gegeben hat, was auf die übergroße Mehrheit alles Fälle leider nicht zutrifft.

Dass der „gute“ Westen sich hier nicht mit Ruhm bekleckert, ist leider eine Wahrheit, die nicht dadurch besser wird, dass die zahlreichen Handlanger nicht von deutschem Boden aus agieren, sondern andere die „Drecksarbeit“ machen lassen.

Fazit:

Eine ganz famose Kritik der repräsentativen Demokratie und der ihr inhärenten Demokratievermeidung, sowie zugleich eine doch sehr fragwürdige Theorie zum oppositionellen Diskurs unserer Tage, den der Autor im einem Rechtspopulismus gefangen sieht, dessen Ziel nicht der demokratische Rechtsstaat sei, sondern eine autoritäre Variante. Rainer Mausfeld versteht sich als Statthalter einer aufgeklärten Linken, welche sich in weiten Teilen die Kritik einer Kumpanei mit dem Neoliberalismus einfängt, zugleich aber gut beraten ist, erklärte Feinde der Zivilgesellschaft integrieren zu wollen. Das ist – wenn man so will – ein Antagonismus. –

Kommentar GB:
Es ist dies m. E. eine durch ihre Differenzierungen sehr erhellende Buchbesprechung, die zu Recht auf die Schwachstellen und blinden Flecke, Illusionen und Selbsttäuschungen der postmodernen Pseudolinken hinweist, der der rezensierte Autor offenbar selbst angehört. Und auffällig ist auch: sie haben alle etwas mit Kategorienfehlern zu tun!
Es sei in diesem Zusammenhang verwiesen auf:

Begriffsbestimmungen

„Islamismus“ und „neuer arabischer Antisemitismus“

Leitkultur


 
 

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