„Das 148-fache eines Facharbeiters – so viel kann keine Arbeit wert sein“

Im Gespräch mit der F.A.Z. kritisiert die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts exorbitant hohe Managergehälter. Auch an Arbeitnehmer appelliert sie.

12.03.2017, von Marcus Jung

http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/arbeitswelt/f-a-z-exklusiv-das-148-fache-eines-facharbeiters-so-viel-kann-keine-arbeit-wert-sein-14921605.html

Kommentar GB:

Die Aussage der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts lautet:

„Wenn ein Vorstandsvorsitzender das 148-fache eines Facharbeiters verdient, dann wird das eben nicht mehr als gerecht empfunden – so viel kann keine Arbeit wert sein.“

Diese Aussage könnte und dürfte wahrscheinlich insoweit zutreffend sein, als sie sich auf eine – offenbar individual- oder sozialpsychologisch verstandene – „empfundene Gerechtigkeit“ bezieht, bei der allerdings unbekannt ist, wer hier was warum empfindet, und mit welchen wie begründeten Gerechtigkeitsvorstellungen sich diese Empfindungen verbinden.

Kann es sein, daß die Präsidentin hier ganz einfach ihre eigene subjektive Einschätzung vorgetragen hat?

Zwei Punkte sind anzumerken.

Erstens ist zu beobachten, daß mit der Überschrift „Gerechtigkeit und Verteilungspolitik“ in der Regel Forderungen maskiert werden, deren Motivation Neid ist. Es kann hiervon sehr wohl Ausnahmen geben. Aber dann müßte auf theoretischer Ebene moralphilosophisch begründet werden, weshalb etwas als ungerecht zu bezeichnen ist. Die Behauptung der Ungerechtigkeit ist zulässig, aber dann muß ein Beweis geführt werden, oder es muß eine tragfähige Begründung vorgelegt werden, und zwar von denjenigen, die die Behauptung aufstellen. Subjektive Einschätzungen, oder irgendwelche Neid- oder sonstigen Gefühle, oder irgendwelche konsensualen Meinungen von wem auch immer beweisen oder begründen oder rechtfertigen gar nichts. Hierzu:

http://alexander-ulfig.de/2016/03/14/geschlecht-und-neid/

Zweitens ist darauf hinzuweisen, daß das Thema in der Geschichte der ökonomischen Theorie unter dem Titel des „gerechten Lohnes“ aufgekommen ist. Es ist also alles andere als neu. Aus Sicht der Marxschen Theorie kann dazu die Antwort gegeben werden, daß die Lohnabhängigen ökonomisch und zugleich moralphilosophisch gesehen eine Lohnhöhe beanspruchen können und müssen, die dem „Wert der Ware Arbeitskraft“ entspricht. Denn damit kann die ökonomische und soziale Reproduktion der Lohnabhängigen mitsamt ihrer Familien prinzipiell gewährleistet werden, und genau das wäre dann der sogenannte gerechte Lohn.

Für die Eigentümer (principals) und ihre Geschäftsbesorger  im oberen Management der Unternehmen (agents) sind die Lohnkosten in Summe als Kostengröße von Bedeutung. Für sie selbst ist allein der Gewinn bedeutungsvoll. Zwar leistet das Management Arbeit, auch wertschöpfende Arbeit, nämlich im Sinne von notwendiger Leitungstätigkeit, aber nicht ein Vergleich mit Lohnarbeit ist hier die Bezugsgröße, sondern die unternehmerische Tätigkeit, und daher geht es um die Frage, welche finanziellen Anreize die Eigentümer (oder ihre Vertreter) setzen wollen oder müssen, damit unter Konkurrenzbedingungen eine erfolgreiche, gewinnstarke Leitungstätigkeit des Managements resultiert.

Das heißt, die Vorstellung, die Managementtätigkeit wie Lohnarbeit wahrzunehmen und zu behandeln, ist unangemessen und falsch. Sie ist vielmehr Unternehmertätigkeit, bei der Eigentümer ihr Management am Gewinn beteiligen; das aber hat nichts mit „Lohn“ zu tun, sondern mit der internen Verteilung von Gewinnen.

So verständlich und auf den ersten Blick zustimmungsfähig also der oben zitierte Satz der Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts aus dem Alltagsbewußtsein heraus sein mag, so unzureichend ist er für eine Beurteilung der wahrgenommenen Spreizung der Einkommen.

Wer diese Spreizung wirklich einer Kritik unterziehen will, der darf sich nicht darauf beschränken, linkspopulistische (Neid-) Parolen wiederzugeben oder zu verstärken, sondern es müssen dann nachvollziehbare Begründungen vorgelegt werden. Sonst besteht z. B. die Gefahr von Urteilen, die in sachlicher und funktionaler Hinsicht inadäqat wären.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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