Der Entscheidungsfindungsprozess hat sich erstens weg von den EU-Institutionen in Brüssel ab in Richtung der Hauptstädte der Mitgliedstaaten verlagert. Zweitens hat eine Kräfteverschiebung unter den Hauptstädten stattgefunden, und zwar zugunsten von Berlin und Paris. Und am Schluss hat Berlin die Macht an sich gezogen. Das heisst, dass Berlin heute alleine die Fäden in der Eurozone zieht. Deutschland dominiert m.a.W. die Vorgänge in der EU.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Länder im Norden und im Süden der Eurozone ist auseinandergelaufen, weil der Norden das gemeinsam vereinbarte Inflationsziel von 2% dauerhaft unterlaufen hat. Und das hat im Wesentlichen mit Divergenzen in den einzelnen Inflationsraten und dem Lohnwachstum zu tun: Die Lohnstückkosten im Süden sind gegenüber dem Kern der Eurozone markant angestiegen. Im Norden sind sie erheblich gesunken. So hat insbesondere Deutschland Marktanteile gewonnen und die Leistungsbilanzungleichgewichte haben sich vergrössert.
Die Autoren wissen, dass niemand (in einer Währungsunion) über seine Verhältnisse leben kann, wenn nicht ein anderer unter seinen Verhältnissen lebt: It takes two to tango. Wenn die Löhne nun im Süden fallen, müssen sie im Norden steigen. Wenn die Inflation an der Peripherie sinkt, muss sie im Kern steigen.
Und es ist deshalb kein Zufall, dass die Autoren der EZB ein spezielles, langes Kapitel im Buch widmen. Allerdings wird dabei Jean-Claude Trichet, dem Vorgänger von Mario Draghi als EZB-Präsident über Gebühr Respekt gezollt, was nicht angesichts der Tatsache, dass Trichet im Jahr 2011 (April und Juli) die Zinsen in der Eurozone wider besseren Wissens zweimal erhöht und die Situation verschärft hat, nicht angebracht ist.
Die Autoren legen am Schluss nahe, dass die Gesellschaft, unabhängig von den Besonderheiten der letztendlich vereinbarten optimalen Politikregeln, am Ende wissen muss, wie Extrem-Ereignisse, mit denen stark fremdfinanzierte Sektoren oder Einzelpersonen konfrontiert werden können, „abgesichert“ werden sollen.
„Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen“. Europäer sehen aber vor lauter Bäume den Wald nicht. Es ist sicherlich eines der besten Bücher, die im Jahr 2016 über die europäische Krise geschrieben wurden. Ein wichtiges Buch.
http://acemaxx-analytics-dispinar.blogspot.de/2016/12/the-euro-and-battle-of-ideas.html
und ergänzend hierzu:
http://blog.arbeit-wirtschaft.at/reformperspektiven-des-mitteleuropaeischen-wohlfahrtsmodells/



