Sex-Gender-Differenz

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„Die begriffliche Unterscheidung von Geschlecht als einerseits biologisches Faktum (Sex) sowie anderseits als Produkt kultureller und sozialer Prozesse (Gender) geht auf Arbeiten zur Transsexualität in den sechziger Jahren zurück (Stoller, 1968). Der feministische Diskurs griff die Unterscheidung auf und begriff sie in einem antibiologistischen Sinne: Soziale Ungleichheiten wurden nicht auf biologisch-körperliche Unterschiede zurückgeführt, wie es die Theorien und Alltagsannahmen über ‚Geschlechtscharaktere‘, über die ‚Natur‘ oder über das ‚Wesen‘ von Frauen und Männern postulierten (vgl. Bührmann, 1995), sondern auf das kulturelle Geschlecht und die Organisation der Gesellschaft. [1]
Während die Sex-Gender-Unterscheidung der feministischen Argumentation dienlich war und auch die öffentliche Diskussion über Geschlechtsunterschiede fruchtbar prägen konnte, so ist sie erkenntnistheoretisch nicht haltbar. Die Unterscheidung impliziert, dass es ein biologisches Substrat der Geschlechterdifferenz gäbe, welches kulturellen Unterscheidungen stets vorgängig wäre. Dieser „latente Biologismus“ (Gildemeister & Wetterer, 1992, S. 207) ist lediglich die Verlagerung einer Naturalisierung der Geschlechterdifferenz. Dass ein kulturfreier und wertneutraler Blick auf biologische Fakten der Geschlechterdifferenz nicht möglich ist, sondern die Natur stets durch die Brille der Kultur gesehen wird, haben insbesondere wissenschaftshistorische Arbeiten (Schiebinger, 1995; Laqueur, 1990) nachweisen können. Ebenso zeigten bereits Kessler & McKenna (1978) in ihrer Studie „Gender. An ethnomethodological Approach“, dass das Finden von Geschlechtsunterschieden in den Diskursen der Ethnologie, Biologie und Medizin sowie Psychologie eine Praxis der Geschlechterunterscheidung ist und nichts über essentielle Unterschiede zwischen Männern und Frauen aussagt. [2]
Aufschlussreich ist in diesem Kontext auch Goffmans (2001) Konzept der institutionellen Reflexivität: Es gibt eine Vielzahl institutioneller Arrangements, die allgemein als Ergebnis der natürlichen Geschlechterdifferenz verstanden werden („doctrine of natural expression“) (Goffman, 2001, S. 112), tatsächlich aber produzieren sie erst die Differenz (bzw. machen sie relevant). Zum Beispiel ist es Frauen vorbehalten, Kinder zu gebären; allerdings muss daraus nicht die vorzufindende Organisation des Kinderaufziehens und der Haushaltsführung resultieren. Die Arbeitsteilung innerhalb von Paaren ist eine Institution, welche die Geschlechterdifferenz nicht widerspiegelt, sondern erst konstituiert.“
 Literatur:
  • Bührmann, A. D. (1995). Zwischen Skylla und Charybdis? Anmerkungen zur Diskussion über die soziale Konstruktion von Zwei-Geschlechtlichkeit. In G. Kneer, K. Kraemer & A. Nassehi (Hrsg.), Soziologie: Zugänge zur Gesellschaft (Bd. 2, S. 31–48). Münster: Lit Verlag.Gildemeister, R. & Wetterer, A. (1992). Wie Geschlechter gemacht werden: Die soziale Konstruktion der Zwei-Geschlechtlichkeit und ihre Reifizierung in der Frauenforschung. In G.-A. Knapp & A. Wetterer (Hrsg.), Traditionen Brüche. Entwicklungen feministischer Theorie (S. 201–254). Freiburg: Kore.
    Kessler, S. J. & Mckenna, W. (1978). Gender: An ethnomethodological approach. Chicago: University of Chicago Press.
    Laqueur, T. (1990). Making Sex: Body and Gender from the Greeks to Freud. Cambridge: Havard University Press.
    Schiebinger, L. (1995). Am Busen der Natur: Erkenntnis und Geschlecht in den Anfängen der Wissenschaft. Stuttgart: Klett-Kotta.
    Stoller, R. J. (1968). Sex and gender: The development of masculinity and femininity. New York: Aronson.


http://www.gender-glossar.de/de/glossar/item/9-sex-gender-differenz
Kommentar GB:
Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll, wenn man solche – ernstgemeinten! – Texte liest.
Unter der angegebenen Adresse – siehe oben – findet sich sicherlich noch mehr geschwollener Unsinn.
 
 

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